Energiewende, CO2-Neutralität, Brennstoffzelle
Wo wir Wasserstoff brauchen. Und wo nicht!

Allein bei Thyssenkrupp emittiert die Stahlerzeugung zehnmal so viel CO2 wie der innerdeutsche Flugverkehr. Um CO2-neutral zu produzieren, braucht allein dieser Konzern 70 Prozent des für Deutschland 2030 geplanten Wasserstoffs. Da bleibt für den Verkehr nichts übrig.

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Foto: HD Seufert, Asten Media, Scholz (4)

Auf dem auto motor und sport Kongress am 7. Oktober in Stuttgart gab Bernhard Osburg, CEO der Thyssenkrupp Steel Europe AG, interessante Einblicke, wie sein Konzern, dessen Standort Duisburg 5 mal so groß ist, wie das Fürstentum Monaco, CO2-neutral werden soll.

Und das lohnt sich: Aktuell emittiert die Stahlerzeugung von Thyssenkrupp, der Nummer 2 unter den Flachstahlherstellern, mit einer Produktion von 11,8 Millionen Tonnen (2020) pro Jahr 20 Millionen Tonnen CO2 – 10 mal mehr als der innerdeutsche Flugverkehr. Allein bis 2030 will der Konzern davon rund 30 Prozent einsparen (6 Millionen Tonnen). Die Wirkung entspricht der einer Umstellung von drei Millionen Pkw vom Verbrennungs- auf Elektroantrieb.

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In der Stahlproduktion lässt sich gut CO2 sparen

In der Stahlindustrie erreicht man mit dem Einsatz einer Tonne Wasserstoff 26 Tonnen weniger CO2-Emissionen. Aber dafür braucht die Stahlproduktion Unmengen an Wasserstoff.

Thyssenkrupp Stahlerzeugung Wasserstoff Transformation CO2-neutral
Thyssenkrupp
Im Bild die geplante H2-Produktion der nationalen Wasserstoffstrategie und der Bedarf nur von Thyssenkrupp.

Thyssenkrupp schätzt den eigenen Bedarf für 2050 auf 720.000 Tonnen. Weil das leichteste Element im Periodensystem bei Normaltemperaturen ein Gas mit geringer Dichte ist, füllte die Menge den Gasometer in Oberhausen alle halbe Stunde – ein ganzes Jahr lang, also 17.520 mal. Ein Kilogramm Wasserstoff enthält 33 kWh Energie. Aber um ein Kilogramm Wasserstoff via Elektrolyse zu erzeugen, sind 45 bis 50 kWh elektrische Energie nötig. Für eine Tonne Wasserstoff verbraucht der Elektrolyseur also 45.000 bis 50.000 kWh bzw. 45 bis 50 MWh. Außerdem sind dazu mindestens 9000 Liter Wasser nötig.

Für 720.000 Tonnen Wasserstoff braucht man demnach 32,4 bis 36 Terawattstunden (TWh) elektrischer Energie – Thyssenkrupp veranschlagt dafür 3600 Windräder. Zum Vergleich: Deutschland verbrauchte 2020 rund 545 TWh an Strom. Etwa 6,6 Prozent gingen also dann nur für den Stahl von Thyssenkrupp drauf. Noch ein Vergleich: Würden alle 47 Millionen Pkw in Deutschland batterieelektrisch fahren, brauchte das mit 140 TWh etwa 25 Prozent der aktuellen Stromerzeugung.

Aus den 6,6 Prozent des Strombedarfs (2050) werden aber 70 Prozent der von der nationalen Wasserstoffstrategie geplanten Produktion des Energieträgers. Denn der Wirkungsgrad der Elektrolyse liegt nach den o.g. Zahlen zwischen 66 und 73 Prozent.

Auch ein Energieträger braucht Energie

Aber dann ist die Frage, was man mit dem Wasserstoff anfängt: Beim Stahl lässt sich damit ordentlich CO2 sparen. Brennstoffzellen hingegen haben zwar einen mehr als doppelt so hohen Wirkungsgrad wie Verbrenner, haben ab den der Elektrolyse im Schlepptau. Insgesamt heißt das dann etwa 0,65 (ungefährer Wirkungsgrad der Brennstoffzelle) mal 0,7 (Wirkungsgrad Elektrolyse) – macht lediglich rund 46 Prozent Gesamtwirkungsgrad. Und weil dann noch die Verluste für Betankung und Speicherung dazu kommen, kommen von der ursprünglich eingesetzten Energie nur mehr 15 bis 18 Prozent am Rad an.

Wasserstoff Transformation CO2-neutral Wirkungsgrad well to wheel Brennstoffzelle vs BEV
HIU, Prof. Maximilian Fichtner
Der Gesamtwirkungsgrad eines Wasserstoff-Fahrzeugs leidet unter dem doppelten Umwandlungsprozess und hat einen hohen (Grün-)Strombedarf zur Folge.

Wer jetzt denkt, der Wirkungsgrad ist bei Grünstrom wegen dessen CO2-neutraler Erzeugung Nebensache, sei daran erinnert, dass CO2-neutrale Stromerzeugung in der Praxis allenfalls CO2-arm ist und der Bedarf daran die nächsten Jahre kaum zu stillen sein wird. Beispielhaft: Würden die 47 Millionen Pkw in Deutschland mit Brennstoffzellen fahren, bräuchte man dafür mehr als das 4,5-fache als bei E-Autos 140 TWh). Das wären dann mehr als 650 TWh und mithin das 1,2-fache der aktuellen Stromerzeugung, die bislang nur zu 46 Prozent regenerativ ist. Man bräuchte also 2,6 mal so viel Grünstrom.

Prof. Martin Doppelbauer vom Karlsruhe Institut für Technologie (KIT) geht in seinem Strategiepapier (siehe Podcast) sogar von einem 5- bis 6-fach höheren Energiebedarf aus. "Es ist leicht abzuschätzen, dass der Strombedarf für den Wasserstoffbetrieb aller 47 Millionen Pkws in Deutschland rund 1,5-fach größer ist als die gesamte heutige Stromproduktion hierzulande".

Fazit

Wasserstoff, der Champagner der Energiewende, ist für den Einsatz in Pkw wenig prickelnd: In Relation zum Energieaufwand sparte man damit vergleichsweise wenig CO2 ein. Bei der Stahlerzeugung ist der Wasserstoff dringend notwendig und die CO2-Einsparung die beste, die mit man mit Wasserstoff erreichen kann. Die massenhafte Verbreitung von Brennstoffzellenfahrzeugen ist also nicht erstrebenswert, massenhaft Wasserstoff für die Stahlerzeugung schon.