Motorsport und Elektromobilität
Wo E-Autos noch keine Chance haben

Extreme E-Autos bieten vierstellige PS-Zahlen, brutale Fahrleistungen und verblasen im Sprint jeden Verbrenner. E-Motorsport ist trotzdem lahm. Warum?

Safety-Car - Formel E - Valencia - 2021
Foto: FE

Klassische Drag Races gehen inzwischen regelmäßig an Elektroautos: Maximales Drehmoment bei minimaler Drehzahl, enorme Leistung und dann meist Allradantrieb, keine Schaltpausen – die Voraussetzungen für blitzartige Beschleunigung sind beim E-Antrieb günstig – vom Gewicht mal abgesehen. Aber selbst da muss ein E-Sportler nicht mehr schlechter sein, als ein Verbrenner: Der Bugatti Chiron wiegt genauso um die zwei Tonnen wie der Rimac C2, der den W16 mit seinen vier E-Motoren aber bei der Leistung schlägt: Mehr als 1900 PS versprechen die kroatischen E-Auto-Verrückten, der Verbrenner mobilisiert "nur" 1500. Sein Drehmoment von 1600 Nm liegt zwischen 2000 und 6000/min an. Der Rimac C2 kommt auf ein Gesamtdrehmoment von 2300 Nm, das quasi schon im Stand anliegt.

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Elektroautos nur beim Drag-Race hui

E-Antriebe im klassischen Rennsport lassen aber nie mit solch überbordenden Leistungswerten aufhorchen. Für seinen Formel-E-Renner 99X Electric etwa weist Porsche eine Leistung von vergleichsweise bescheidenen 280 PS im Rennmodus und 340 PS im Quali-Modus aus. Der Opel Corsa-E-Rallye muss gar mit dem serienmäßigen Antriebsstrang des Straßen-Kleinwagens auskommen: 136 PS und 260 Nm.

Warum so bescheiden? Leistung ist, wie einem schon die Lehrer bei zu umfangreichen Tests in der Schule beibrachten, Arbeit pro Zeit. Arbeit lässt sich mit Energie gleichsetzen – das ist quasi Arbeit, die noch nicht verrichtet ist. Womit man beim zentralen Problem der Elektromobilität angelangt ist: Natürlich sind E-Autos nicht faul, ihre Batterien weisen lediglich zu wenig Energieinhalt auf bzw. ist der Energiedichte viel geringer als bei fossilen Treibstoffen. Die viele Leistung bringt E-Autos im Motorsport nichts, weil die Batterien so wenig Energie tragen, dass die Leistung nur über kurze Zeit nutzbar ist.

Fünffacher E-Auto-Verbrauch Im Rennbetrieb

Zum Vergleich: Der Corsa E-Rallye hat wie das Serienauto eine 50-kWh-Batterie (netto 46 kWh), Formel E-Autos haben 52 kWh (nutzbar). Der Serien-Corsa kommt mit den 46 kWh nach WLTP 330 Kilometer weit, das Rallyeauto im Rennbetrieb maximal 60 Kilometer. Die Batterie ist in der Regel sogar nach einer Wertungsprüfung leer, selbst wenn die nur über 40 bis 50 Kilometer geht. Sprich: Das Rallye-Auto braucht im Rennbetrieb 77 bis 115 kWh pro 100 Kilometer, das Serienauto 17 kWh/100 km nach WLTP und wohl etwa 20 kWh im Alltag. Die Formel-E-Autos kamen beim Rennen in Valencia mit ihrer Batterie sogar 100 Kilometer weit, der Verbrauch lag also bei 52 kWh/100 km. Die Rekuperation der Motor-Generator-Einheit hilft, diesen Verbrauch zu erreichen. Allerdings waren Kurven mit guter Rekuperationsmöglichkeit in Valencia eher knapp. Die 250 kW Maximalleistung des Audi Formel-E-Autos E-Tron FE07 könnten die Batterie theoretisch in weniger als 12 Minuten leer saugen.

Das US-Elektroauto-Startup Lordstown hat einen Rallye-Ableger seines Endurance-Pickups für die Teilnahme an der Wüsten-Rallye San Felipe 250 gebaut. Nach der ersten Wertungsprüfung (40 Meilen) gab der E-Fahrzeug-Hersteller auf – er hatte mit dem dreifachen Verbrauch gegenüber dem im Normalbetrieb gerechnet, im Wüstensand zog der Pick-up aber mehr als viermal so viel Energie aus dem Akku. Damit wäre das Rennen nicht zu bewältigen gewesen.

E-Auto mit besserem Wirkungsgrad – aber das reicht nicht

Dabei ist der E-Antrieb für seinen hohen Wirkungsgrad bekannt: Mit mehr als 90 Prozent sind E-Autos auf der Straße mehr als dreimal so effizient wie Verbrenner. Aber ein Liter Super E10 enthält 8,7 kWh Energie. Ein Formel E-Auto mit seiner 52 kWh-Batterie hat also umgerechnet einen 6-Liter-Tank – und kommt damit in Valencia 100 Kilometer weit. Zum Vergleich: In der Formel 1 sind pro Rennen 110 Kilogramm Sprit erlaubt, also 149 Liter. Der Verbrauch liegt damit im härtesten Fall bei 48 Liter pro 100 Kilometer.

Mehr Energie bringt mehr Tempo

Die Königsklasse des Motorsports setzt also etwa acht mal mehr Energie ein. Wegen des Wirkungsgrads wird aber nicht alles in Tempo umgesetzt, auch wenn die Formel-1-Aggregate mit ERS erstaunlich effizient sind. Schon 2017 gab Mercedes an, der thermische Wirkungsgrad läge bei den Silberpfeilen bei 50 Prozent, was auch am hohen Volllastanteil liegt. Nahe diesem hat ein Serienbenziner einen Wirkungsgrad von etwa 40 Prozent, im Schnitt erreicht er hingegen nur 20 Prozent. Audi hingegen nennt für die Motor-Generator-Einheit des E-Tron FE07 einen Wirkungsgrad von 97 Prozent.

So gesehen setzt der Formel-1-Motor 0,5 x 48 Liter x 8,7 kWh (ab 2022 fährt die Formel 1 mit E10), also 208,8 kWh pro 100 Kilometer in Bewegung um, die MGU des Formel-Autos 0,97 x 52 kWh nur 50,44 kWh. Eine Batterie mit dem Energiegehalt für 100 Kilometer Formel-1-Fahrt müsste also mehr als doppelt so groß sein wie die des stärksten Tesla Model S. Und selbst die wiegt schon etwa 700 Kilogramm. Oder andersrum: Ein Formel-1-Auto mit E-Antrieb käme selbst mit einer etwa 1400 Kilogramm schweren Batterie im Renntempo keine 100 Kilometer, ohne den Gewichtsnachteil einzurechnen. Zum Vergleich: Ab 2022 sollen Formel-1-Autos 775 Kilogramm wiegen – ohne Sprit (110 Kilogramm).

Rekuperation und Effizienz sind unspektakulär

Der Effekt der geringen Energiedichte ist klar zu beobachten: Formel-1-Autos können viel länger viel schneller fahren, während der Wettbewerb sich beim elektrischen Motorsport vor allem ums Energiesparen dreht. Das ist vor allem technisch nicht weniger anspruchsvoll, zum Zuschauen aber wenig spektakulär. Von den technischen Finessen bekommen Außenstehende nichts mit, während das nachlassende Tempo auffällt.

Fazit

Schon wer mit einem durchschnittlichen Elektroauto unterwegs ist, darf sich über überdurchschnittlich gute Beschleunigung freuen. Gleichzeitig sieht man selbst sportliche Elektroautos mit mehr als 500 PS auf der Autobahn oft mit zahmen Geschwindigkeiten dahinzuckeln. Weil der nach wie vor geringe Energiegehalt der Batterien die Nutzung der hohen Leistungen nur für kurze Zeit erlaubt und hohe Geschwindigkeiten wegen des dann stark ansteigenden Luftwiderstands dauerhaft viel Leistung brauchen und die Effizienz des E-Antriebs ohne Rekuperation weniger auffällig ist. Insgesamt ist der Wirkungsgrad des E-Autos einfach nicht so viel besser wie die Energiedichte der Batterie gegenüber Benzin oder gar Diesel geringer ist.