BMW Natural Interaction
So funktioniert BMWs revolutionäres Bedien-Konzept

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Autos von BMW sollen sich künftig per Sprache, Gesten und Blicke steuern lassen – ganz natürlich, wie zwischen Menschen. Wir haben es auf dem Mobile World Congress ausprobiert – in einer Virtual-Reality-Simulation.

02/2019, BMW Natural Interaction
Foto: BMW Group

Haben Tasten, Touchscreens und Dreh-/Rückstellknöpfe bald ausgedient? BMW ist davon überzeugt. Auf dem Mobile World Congress in Barcelona stellen die Münchner derzeit ein neues Bedienkonzept für ihre künftigen Autos vor. Es heißt BMW Natural Interaction und kombiniert die Sprach- mit der Gestensteuerung sowie Blickerkennung. Damit soll die Kommunikation zwischen Insassen und Auto so zuverlässig und natürlich ablaufen wie die zwischen Menschen.

Unsere Highlights

Optimierte Sensoren, Infrarotlicht, HD-Kamera

Erste Funktionen des neuen Konzepts sollen im iNext verfügbar sein, der 2021 auf den Markt kommt. Auf dem Mobile World Congress in Barcelona konnte man das Auto jetzt schon fahren – wenn auch nur in einer Simulation mithilfe einer VR-Brille. Pünktlich kam der Elektro-Crossover angefahren, um einen am Flughafen abzuholen. Und um zu zeigen, dass er deutlich mehr kann, als Menschen von A nach B zu bringen. Er kann zum Beispiel seine Fenster alleine öffnen, wenn er vom Fahrer dazu aufgefordert wird. Das passiert nicht per Tastendruck, sondern durch einen Fingerzeig Richtung Seitenscheibe, verbunden mit dem Befehl: „Bitte öffnen!“ So lassen sich auch die anderen Funktionen des iNext bedienen: Navigationsbefehle, der Wechsel zwischen selber fahren und fahren lassen, die Raumtemperatur, eigentlich alles. Und wenn die Komplexität zu groß wird und der Fahrer nicht weiß, was sich hinter einer Funktion verbirgt, fragt er einfach das Auto und lässt sie sich erklären.

Das funktioniert – zumindest in der Simulation – sehr zuverlässig. Damit das klappt, müssen künftige BMWs Gesten in ihrem Kontext analysieren können. Außerdem erfassen sie in Bezug auf Hand- und Fingerbewegungen neben der Art der Geste auch deren Richtung – und zwar in einem erweiterten Bereich im gesamten Fahrerarbeitsplatz. Dafür sind nicht nur optimierte Sensoren an Bord, sondern verfügt die Gestenkamera nun über ein Infrarotlichtsignal, das die Bewegungen von Hand und Finger dreidimensional erfasst und deren Richtung präzise ermittelt. Im Instrumenten-Cluster sitzt darüber hinaus eine HD-Kamera, die Kopf- und Blickrichtung erkennt.

Kommunikation „auf völlig natürliche Weise“

Hinter der Technik steckt ein lernender Algorithmus, der ständig weiterentwickelt wird. Er kombiniert und interpretiert die Informationen, und das Fahrzeug reagiert entsprechend. „Der Kunde wird zukünftig nicht überlegen müssen, mit welcher Bedienstrategie er zum Ziel kommt, sondern zu jeder Zeit frei interagieren und das Fahrzeug versteht ihn“, erklärt Christoph Grote, Senior Vice President BMW Group Elektronik. Und was bringt das dem Fahrer? BMW sagt, er kann fortan noch besser nach seinen Vorlieben, Gewohnheiten oder der jeweiligen Situation entscheiden, wie er mit dem Fahrzeug interagiert. Er befindet sich gerade im Gespräch? Dann kommandiert er das Auto mit Blicken und/oder Gesten. Er benötigt seinen Blick gerade für die Straße? Dann nutzt er Sprachen und Gesten – und so weiter. Die virtuelle Simulation auf der Messe zeigt, dass das klappen könnte – war aber dann doch nicht weitläufig genug ausgelegt, um alles ausprobieren zu können.

Sie demonstriert außerdem, dass diese Art der Mensch-Auto-Kommunikation nicht nur auf den Innenraum beschränkt bleiben soll – und welche Vorteile das bringt. Der Fahrer kann zum Beispiel nach außen zeigen und die Frage stellen: „Was ist das für ein Gebäude?“ Das Fahrzeug antwortet auf derartige Fragen genauso wie auf jene nach Öffnungszeiten, Namen von Restaurants oder Parkgebühren. Umfassende im Auto hinterlegte Umfelddaten lassen es laut BMW die Rolle eines gut informierten Beifahrers übernehmen.

Kinotrailer auf der Windschutzscheibe

Der fragt auch immer direkt danach, ob man Tickets für das jeweilige Museum kaufen oder einen Tisch in jenem Restaurant, an dem man gerade vorbeigefahren ist, reservieren möchte. Das kann natürlich praktisch sein, und beim ersten Mal ist es schon ein cooles Gefühl, sich direkt vom iNext Kinotickets kaufen zu lassen und zur Einstimmung auf den Film noch im Auto den entsprechenden Trailer zu sehen, projiziert auf die Windschutzscheibe, während der BMW autonom fährt. Doch zur Wahrheit gehört auch, dass die Funktion schon nach kurzer Zeit einen gewissen Nerv-Faktor entwickelt. Wenn man jedes Mal gefragt wird, ob man eine Ausstellung oder ein Restaurant besuchen möchte, fragt man sich unweigerlich, wann man eigentlich noch arbeiten, Zeit mit Familie und Freunden verbringen oder schlafen soll.

Aber die Lösung für dieses Problem taucht bereits am Horizont auf. Die Natural Interaction soll perspektivisch auch die Emotionen der Fahrzeuginsassen berücksichtigen können. Blafft man ihm Sätze wie „Ich habe keinen Hunger!“ oder „Ich habe gerade zu tun!“ zu, ist der iNext vielleicht ein bisschen weniger fürsorglich, was ja auch mal ganz nett sein kann. Gleichzeitig fällt auf: Statt einer natürlichen Unterhaltung etabliert sich eher eine Kommunikation zwischen Befehlshaber und Befehlsempfänger. Während man eine andere Person bitten würde, fordert man das Auto auf und verfällt schnell in einen eher harschen Ton. Auch ein schlichtes „Danke“ erspart man sich.

Nachholbedarf in Sachen „Fahrdynamik“

Aber das Auto erträgt es mit Gleichmut und nimmt einem das nicht übel. Hier wiederum zeigt sich der Vorteil, mit einer Maschine zu agieren. Ein zwischenmenschlicher Dialog würde nun sicher in eine etwas unangenehme Richtung kippen. Einen Nachteil offenbart die Simulation aber auch: In der virtuellen Welt fuhr der iNext ungefähr so eckig und unnatürlich wie in einem Nintendo-Rennspiel aus den 90er Jahren. Im richtigen Leben wird die Fahrdynamik hoffentlich deutlich näher am Markenkern sein. Wir sind da guter Dinge: BMW beschäftigt schließlich nicht nur Experten für Programmierung, Digitales und künstliche Intelligenz, sondern ja auch noch ein paar richtig gute Fahrwerks-Ingenieure.

Fazit

Wartet da in puncto Fahrzeug-Bedienung wirklich eine deutlich bessere Welt auf uns, sobald Autos von selbst fahren können? Vermutlich ja, schließlich ist ein Konzept wie die Natural Interaction von BMW eine zwangsläufige Konsequent dieser Entwicklung. Wer will schon ständig irgendein Knöpfchen drücken, um sein Auto zu bedienen, wenn er gerade wichtige Arbeiten im Car Office zu erledigen hat. Ein gerüttelt Maß an künstlicher Intelligenz und Lernfähigkeit ist aber unabdingbar, denn so eine Maschine sollte schon irgendwann die Vorlieben derjenigen kennen, die ständig mit ihr zu tun haben. Sonst könnte sie schnell nerven.