RS 7 Performance vs. M6 Gran Coupé Competition
Coupé-Brummer im Drama-Modus

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Es ist ja nicht so, dass es im Audi RS 7 oder M6 Gran Coupé zäh voranginge. Aber etwas mehr Übermotorisierung wie bei Performance und Competition wird der Physik nicht schaden.

Audi RS 7  Sportback, BMW M6 Gran Coupé, Frontansicht
Foto: Hans-Dieter Seufert

Ein gesteigertes Interesse an den Gesetzmäßigkeiten der Physik geht in der neunten Klasse selten einher mit romantischen Erfolgen. Während die einen Briefchen schrieben („Hi Sibylle, willst Du mit mir gehen: Ja. Nein. Wenn nein, gib’ den Brief an Sonja weiter“), lernten wir: Beschleunigung ist Geschwindigkeit durch Zeit. Weg ist Beschleunigung mal Zeit zum Quadrat durch zwei. Kraft ist Masse mal Beschleunigung. Geschwindigkeit ist Weg durch Zeit. So können wir ausrechnen, dass der Audi RS 7 Performance, wenn er sich in 3,5 Sekunden von null auf 100 km/h stanzt, eine durchschnittliche Beschleunigung von 7,94 m/s² erzielt, was so weit nicht weg ist von einem freien Fall (9,81 m/s²). Für den Spurt auf 100 km/h braucht er 48,63 Meter Strecke und eine Kraft von 16.023 Newton. Formen wir noch um, dass der Audi bei Höchsttempo pro Sekunde 84,7 Meter zurücklegt, und stellen fest: Das bringt alles nichts.

Denn was gleich passiert, können die Zahlen nicht erklären. Da sitzen wir am Anfang der Messgeraden im Audi RS 7 Performance, und er katapultiert los, als wolle er erst die Asphaltdecke aufkrempeln und danach den Horizont überholen. Macht er sich dazu auf, kannst du nebenher mit der Sprachbedienung plauschen oder der Sportauspuffanlage lauschen. Das Beschleunigen geht nebenbei, das könnte Lieschen Müllers Oma: linken Fuß von der Bremse, rechten Fuß voll aufs Gas. Alles Weitere regeln ESP, Antriebssteuerung, Allrad und eben 605 PS sowie 750 Nm – 45 PS und 50 Nm mehr als beim normalen RS 7. Bei dem drängte sich der Bedarf an Mehrleistung so direkt nicht auf. Und wenn wir kurz mal ganz vernünftig sein wollen: Eigentlich bringt der Performance nichts. Sein Vorteil gipfelt darin, dass der Audi RS 7 Performance 0,2 Sekunden schneller auf Tempo 100 spurtet als der letzte 560-PS-RS 7, der bei uns war. So vermögen selbst wir die 7.000 Euro extra für den Performance nicht mit allem Nachdruck empfehlen.

Mehrleistung? Eher Mehrdrama

Noch schwieriger wird es beim BMW M6 Gran Coupé, die 8.500 Euro für das Competition-Paket schönzurechnen. Dafür gibt es 40 PS mehr, mit denen das viertürige Coupé exakt gar nicht schneller auf Tempo 100 beschleunigt als die letzte Testvariante mit 560 PS. Wobei es der M6 durchaus versteht, 4,1 Sekunden Spurt dramaturgisch zu inszenieren. So ein Audi RS 7 Performance kann auch nett sein, goldenretrievert brav durchs Schneegestöber. Mit dem BMW M6 Gran Coupé Competition ist es immer so, als satteltest du morgens einen Tyrannosaurus mit böser Laune. Bei Start brüllt er, ruckelt verspannt los, keilt selbst in der sachtesten Kennlinie des Getriebes herb durch die sieben doppelverkuppelten Gänge, röhrt sich warm und an die Startlinie. M-Knopf drücken, bestätigen, dann stellen sich Antrieb, Fahrwerk, Elektronik und Lenkung auf Attacke. Festbremsen, Gas, Bremse los. Möge das Drama beginnen.

Es handelt vom Kampf zwischen ESP und Motorleistung. Der hinterradgetriebene BMW M6 Gran Coupé Competition raspelt erst ruppig los, aber dann, Freunde, wenn die Hinterreifen endlich den Grip finden, pfeilt er vorwärts, getrieben vom Druck seiner beiden Turbolader und der Tiefe des Hubraums, der seine 4.395 Kubik auf acht Zylinder verteilt. Oh. Ja. Doch: Es geht voran im BMW.

Perfekt – wenn alles perfekt ist

Zumindest dann, wenn alles passt. 15 Grad wären nett, damit die Reifen warm bleiben, eine trockene und besser abgesperrte Strecke sollte auch sein. Dann zeigt sich die Brillanz des BMW M6 Gran Coupé Competition und ergibt die ganze Grundabstimmung Sinn. Draußen auf der Landstraße spricht die Lenkung zu giftig an, ist zappelig auf der Autobahn und stößig dazu. Auf der Strecke steigert sie dagegen die nervöse Gier des BMW M6 Gran Coupé Competition, der rennstreckenfähigste Viersitzer mit Luxusambiente zu sein. Auch mit den dickwulstigen Sitzen passt das jetzt, und die Neigung zu heroischen Heckschwenks lässt sich mit Auslaufzonen (statt Buschwerk/Bäumen/Traktoren) austoben. Grandios ringt der BMW M6 Gran Coupé Competition die Strecke nieder, taucht aggressiv in Kurven, mit schneidiger Präzision in der Lenkung, drängelt sich mit der Wucht der 700 Nm heraus, streckt die nächste Gerade nieder, während das Getriebe die Gänge reinzimmert – mit dem ganz schweren Hammer. Das beeindruckt selbst diejenigen, die gern daherreden, schon alles erlebt zu haben. Und erschreckt andere – den Audi RS 7 Performance etwa beim Slalom und erst recht bei der Spurwechselei.

M6 liegt einen Wimpernschlag hinter RS 7

Jedoch: Mitunter regnet es ja oder es schneit, Straßen sind nass, schmal oder uneben. Dann muss das ESP das BMW M6 Gran Coupé Competition selbst im Effizienz-Modus dauernd einbremsen. Die M-Programme taugen erst recht nicht mehr, bereits im Comfort-Modus rumpelt der M6 über Unebenheiten, gerade beladen herber als der Audi. Selbst auf der Autobahn passt es nicht so recht. Ja, das BMW M6 Gran Coupé Competition ist enorm schnell, aber nie so souverän-sicher wie der Audi RS 7 Performance. Und bei so viel Kraft und Leistung stört es tatsächlich, dass es beim Gasgeben immer einen Wimpernschlag länger dauert, bis die Turbos richtig lospusten und das Getriebe die Gänge durchsortiert hat. Obwohl er wie der Audi RS 7 Performance Keramikbremsen (8.800 Euro) hat, verzögert das BMW M6 Gran Coupé Competition anfangs weniger enorm, beherbergt vier Personen trotz ähnlicher Abmessungen beengter. Sollten wir noch brandmarken, dass er 0,5 l/100 km mehr verbrau ...? Ach, egal.

Zumindest in dieser Region, in der wir zu den 121.700 Euro Grundpreis des Audi RS 7 Performance 14.000 Euro für das Dynamikpaket Plus addieren – für Dynamiklenkung, Sportdifferenzial, Sportfahrwerk mit Schraubenfedern und adaptiven Stoßdämpfern (statt der sonst serienmäßigen Luftfederung), Keramikbremse, Matrix-LED-Licht und V-max-Anhebung auf 305 km/h. Selbst so aufgerüstet zählt der Audi RS 7 Performance nicht zu den Helden der Rennstrecke oder den Rädelsführern ruchloser Landstraßengeschwindigkeitsübertretungen. Beides kann er, wegen, tja, 605 PS eben. Aber es passt nicht zu ihm. Unaufdringlich schnell, souverän und mit Allrad traktionssicher drängt er voran. Wer vom BMW M6 Gran Coupé Competition kommt, mag die RS-Lenkung etwas entrückt und rückmeldungsschwach finden. Für das, was der Audi RS 7 Performance am besten kann, ist ihre unaufgeregte Präzision perfekt. Im Audi geht alles einfacher, so ist er im echten Leben schneller als das BMW M6 Gran Coupé Competition, weil er entspannter fährt, seine Leistung, sein Handling, ja, einfach sich stets unter Kontrolle hat.

Ringe der Nibelungen

Mit der ansatzlosen Wucht seines Vierliter-V8-Biturbo strebt der Audi RS 7 Performance nach der Weltherrschaft – zumindest der über die Autobahnen. Das ist eine beeindruckende Vorstellung, nein, genau genommen eine Wagner-Oper, wie er über die Bahnen walkürt und götterdämmert. Sein Tempopotenzial schätzen andere Verkehrsteilnehmer falsch ein, wenn sie bedächtig auf die linke Spur wechseln, weil es außerhalb ihrer Vorstellungskraft liegt. An Möglichkeiten, die hervorragenden Verzögerungswerte der Bremsen zu erleben, mangelt es daher selten. Wobei, und das ist eben der große Unterschied und Vorteil zum BMW M6 Gran Coupé Competition: Der Audi RS 7 Performance kann sich auch mal zurücknehmen. Dann bummelt er gemütlich daher, federt umgänglich, bleibt leise. Derweil schaltet die Automatik sanft durch ihre acht Stufen und die Motorsteuerung gern vier Zylinder ab, um den Verbrauch zu senken – was ein schönes Beispiel abgibt, sollte man mal den Begriff „Symbolpolitik“ erklären müssen.

So verliert der BMW auch nicht wegen des erstaunlich einstelligen Ergebnisses im Umweltkapitel. Um es auf eine – eher philosophische als physikalische – Formel zu bringen: Das BMW M6 Gran Coupé Competition ist ein grandioses Auto, wenn alles passt. Der Audi RS 7 Performance passt immer.

Fazit

1. Audi RS 7 Sportback Performance
443 von 1000 Punkte

Macht und was du willst: Der Audi RS 7 Performance hat seine enorme Kraft immer unter Kontrolle, ist erstaunlich komfortabel, sehr sicher, angemessen durstig, aber kein Sportwagen.

2. BMW M6 Gran Coupé
394 von 1000 Punkte

Macht und was er will: Selbst wenn der Pilot es möchte, gibt das BMW M6 Gran Coupé Competition keine Ruhe, fordert Aufmerksamkeit bei Nässe und Verzicht bei Komfort. Kompromisslos – auch beim Preis.

Technische Daten
Audi RS 7 Sportback 4.0 TFSI Quattro performanceBMW M6 Gran Coupé Competition
Grundpreis122.500 €142.400 €
Außenmaße5012 x 1911 x 1419 mm5011 x 1899 x 1395 mm
Kofferraumvolumen535 bis 1390 l460 bis 1265 l
Hubraum / Motor3993 cm³ / 8-Zylinder4395 cm³ / 8-Zylinder
Leistung445 kW / 605 PS bei 6100 U/min441 kW / 600 PS bei 6000 U/min
Höchstgeschwindigkeit250 km/h250 km/h
0-100 km/h3,5 s4,1 s
Verbrauch9,5 l/100 km9,9 l/100 km
Testverbrauch13,4 l/100 km13,9 l/100 km
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Sport Auto 03 / 2022
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Erscheinungsdatum 04.02.2022

132 Seiten