BMW i5 eDrive40 & Mercedes EQE 350 im Test
Kann der neue E-5er die E-E-Klasse schlagen?

In den Stromkreisen, in denen sich BMW i5 eDrive40 und Mercedes EQE 350 bewegen, elektrisiert ein Auto nicht durch Förderung, sondern damit, mehr als alle Anforderungen der Kunden zu erfüllen. Und dann wäre im Verlauf des Vergleichstests noch die Sache mit den Rastmomenten.

BMW i5 eDrive40, Mercedes EQE 350
Foto: Achim Hartmann

Kurz abwarten, dann aber hoch die Tassen, alle 95.000, gefüllt mit Tee, die rechnerisch just in dieser Minute in Deutschland getrunken werden. Damit sei der ohnehin hohe Teekonsum zuletzt um weitere 1,5 auf 71,5 Liter pro Jahr und Bundesbürger gestiegen, informiert der Deutsche Tee & Kräuterteeverband (geht es Ihnen auch so? Wir ahnten nicht einmal, dass es den gibt, und sind jetzt doch nicht überrascht). Nun, bei all den Ungewissheiten, welche die Gezeiten der letzten Jahre prägen, bietet es sich ja an, erst mal abzuwarten und Tee zu trinken.

Der große E-Ratgeber

Vielleicht steigt nun in Wolfsburg, Rüsselsheim, Köln, Ingolstadt, aber auch München und Stuttgart der Teebedarf weiter. Gilt es doch bei den Autoherstellern, abzuwarten, welche Folgen das Ende der E-Auto-Prämie auf den Absatz der Stromer haben wird. Wobei wir – so viel Prophetentum trauen wir uns zu – kaum von einer belebenden Wirkung ausgehen.

Stattliche Maße

BMW i5 eDrive40, Mercedes EQE 350
Achim Hartmann

Außen 11,4 cm länger als der EQE, hat der i5 im Fond 5,0 cm weniger Normsitzraum. Wobei auch 78 cm ein ziemlich hohes Niveau fürs Jammern sind.

Ausgenommen womöglich die Testrivalen, die selbst in den Einmotorversionen i5 eDrive40 und EQE 350 durch ihre Preisgestaltung über die Niederungen der Förderfähigkeit ohnehin erhaben waren. Der i5 repräsentiert das wie alle Fünfer-Varianten durch eine Stattlichkeit, welche die Dimensionen der Oberklasse überdehnt. Nun 9,7 cm länger, 3,2 breiter und 3,6 höher, erlangt er das Format des vorletzten Siebeners. Das liegt nicht zuletzt an BMWs Strategie der Multitraktionsplattform. In der müssen sowohl ein bis zwei E-Antriebe für den i5, Verbrennungs- plus E-Werk (E-Motor, großer Akku) für die Plug-ins oder die Diesel und Benziner mit Mildhybrid- und gegebenenfalls Allradsystemen unterkommen. Dabei bestimmt jeweils die platzgreifendste Komponente den Bauraum.

Deswegen kommt so viel von den größeren Außenabmessungen innen nicht an. Stimmt, an Raumopulenz besteht kein Mangel, weder auf der bequemen Rückbank noch auf den gleichermaßen sesselig-kuschligen wie umschmiegend haltintensiven Vordersitzen. Doch dass der Lithium-Ionen-Akku seine 81,2 kWh in vier Modulen zu 72 und drei Modulen zu zwölf Zellen in den Boden puzzelt, hebt die Cockpitbesatzung 51 cm über die Straße – fühlt sich nicht so integriert an wie einst beim Fünfer.

Da auch der Antriebspack aus stromerregter Synchronmaschine (ohne Permanentmagnete), Getriebe und Leistungselektronik an der Hinterachse hängt – in einer aufwendig geräusch- und vibrationsdämmenden Lagerung –, bleiben im Heck nur 490 Liter Kofferraum. Unter der langen Bughaube? Viel leerer Raum, den im i5 M60 eine zweite E-Maschine und bei den Verbrennern im nettesten Fall ein Reihensechser (550e) ausfüllt.

Der EQE hat den Bogen raus

Mercedes EQE 350
Achim Hartmann

Die Vorteile der E-Plattform setzt der EQE auf knapperen Abmessungen mit einem ähnlich üppigen Raumangebot um.

Wie der EQS basiert der EQE auf Mercedes’ Rein-Elektro-Plattform, bei der sich die zehn Module des Lithium-Ionen-Akkus zwischen den Achsen staffeln. Der weite Radstand von 3,12 Metern ermöglicht wie der kurze Bug – da muss höchstens eine weitere kompakte E-Antriebs-Kombo drunter – eine viel höhere Raumeffizienz. So erstreckt sich vor den Passagieren auf der bequemen Rückbank ein ausschweifender Beinraum.

Dass es sich dennoch nicht verschwenderischer anfühlt als im i5, liegt an der Bogenform der Karosserie. Die optimiert die Aerodynamik – wobei der EQE mit cW 0,22 nur ein Hundertstel geschliffener durch den Wind huscht als der i5 –, drückt mit flacher Dachlinie aber die Kopffreiheit. Da auch der Mercedes seine permanentmagnetbestückte Antriebseinheit an der Hinterachse platziert, sollte die Reisegarderobe auserlesen statt ausufernd gewählt sein. Unter der Klappe bleiben nur 430 Liter Kofferraum.

Dabei ist die mitsamt optimalen Ladetakten naviberechnete Reise doch das, worauf sich diese Versionen von i5 und EQE prächtig verstehen. Wenn Sie – was wir hoffen – auch im letzten Heft bei uns vorbeigeschaut haben, erinnern Sie sich an das Duell der M- und AMG-Varianten, deren Wesen es zur komprimierten Rasanz drängt statt zur komfortablen Reise. Was uns nun die Gelegenheit eröffnet, die Bandbreite der beiden Wagen aufzuziehen. Also, sobald wir uns eingerichtet haben.

Das erweist sich in beiden wegen der enormen Funktionsfülle als nie so ganz banal. BMW hat die Bedienung auf Touchscreen und Sprachassistenz hin optimiert, was eine Struktur erfordert, in welcher der Drehdrücker seinen Orientierungssinn verliert. So ist es ein dauerndes Geplänkel mit der hilfreichen Sprachbedienung oder ein ständiges Herumfingern – nicht nur durch die Touchscreen-Ebenen, in denen sich auch die Rekuperationsmodi finden, sondern selbst auf den Tastflächen für die Lüftungsdüsen.

Im EQE lässt sich die Rekuperation (186 kW max.) per Schaltwippe von One-Pedal bis adaptiv schalten. Auch bei ihm kümmert sich die Sprachbedienung selbst um Komfortbedürfnisse. Sein niederschichtigeres Touchscreen-Menü hat größere Tastfelder, dazu gibt es mehr richtige Tasten, was die Bedienung nicht weniger umfangreich, aber bequemer gestaltet.

Mehr Komfort geht kaum

Mercedes EQE 350
Achim Hartmann

Mit Luftfederung erlangt der EQE Federungskomfort der Luxusklasse.

Bequemer als mit i5 und EQE lässt sich derzeit kaum reisen, nimmt man dafür Geräusch-, Antriebs- und Federungskomfort als Maßstab. Dass dem Mercedes all das noch glänzender gelingt, dazu erhebt ihn die adaptive Luftfederung (2.083 Euro). Mit ihr überflauscht er selbst herbe Hiebe, rollt samtig ab, federt kurze Kanten beflissen weg und lange ohne Nachschwingen aus. Er erreicht ein Niveau, das manche Autos verpassen, die sich der Luxusklasse zurechnen.

Auch das Handling des EQE rechnen wir mit zum besten der Oberklasse. Wie bei anderen Mercedes-Modellen steigert die punktgenau präzise, direkt, nie überstürzt ansprechende, wohlsortiert rückmeldende Allradlenkung Fahrstabilität wie Handling. Die Agilität des EQE drängt sich nie in den Vordergrund. Du kannst ihn entspannt über Land sonntagsfahren. Wenn dich aber die Laune sticht, tritt das Handling aus der Kulisse auf die Showbühne und legt eine Kurvengala aufs schlängelige Asphaltband. Der EQE biegt rasant in Kurven, bleibt neutral, schwänzelt beim Herausbeschleunigen kurz mit dem Heck – was beim ersten Mal nur deshalb verdutzt, weil du es von einem Mercedes nicht erwartest. Dabei überdehnt die Rasanz nie die Grenzen der Vernunft, ja nicht mal jene der Harmonie. Selbst im Sport-Modus vermeidet das Fahrwerk jede Bolzig- und die Lenkung alle Hibbeligkeit.

Der i5? Kommt da nicht mit. Mit strammerem Set-up spricht er nicht gar so feinsinnig an. Im Sport-Set-up – dem einzigen Modus, unter dem man sich etwas vorstellen kann (anders als unter "Relax" oder "Personal") und bei dessen Aktivierung sich was ereignet – strafft er das Set-up und bringt so eine Herbheit ins Abrollen und Federn. Was im Selbstverständnis eines BMW liegen mag, erst recht, schickt er sich mit M Sportpaket zu größeren Dynamikambitionen an. Wobei es mit Ambition, adaptiv gedämpftem Fahrwerk mit Luftfederung hinten sowie der Allradlenkung (2,5 Grad Winkel hinten) nicht ganz getan ist. Steht der Ansammlung hochkarätiger Technik doch die Stattlichkeit des i5 im Weg.

Für den wäre die Welt besser eine Einbahnstraße. Schmale Landstrecken füllt er alleine aus – bei Gegenverkehr noch ein Stück des Banketts. Mitunter auch nicht ganz gewollt, geht der variabel übersetzten Lenkung doch die Präzisionsverlässlichkeit und Rückmeldungstreue ab, die man sich von hinterradgetriebenen BMW selbstverständlich erwartet. Wie die Fertigkeit, aus Kurven mit einem kleinen, wohlproportionierten Heckstieber rauszuschwingen. Der i5 jedoch schiebt da in ein Untersteuern, das die Fahrsicherheit keineswegs mindert, die noch immer hohe Agilität ein wenig und das Fahrvergnügen gar noch etwas mehr.

Das entsteht dagegen auf der Autobahn automatisch – im Wortsinn. Auf hochkartografierten Abschnitten und bei aktiviertem Navi-Ziel fährt der i5 bis 135 km/h automatisiert, lenkt, beschleunigt, bremst und setzt nach einem Bestätigungsblick des Fahrers in den entsprechenden Außenspiegel selbstständig zum Überholen an und wechselt– das aber nicht so gerne – zum Wiederrechtsrüberfahren die Spur. Hielten wir erst für ein Hypertechnik-Sperenzchen. Aber es entlastet auf langen, limitierten Strecken sehr.

Der EQE belässt es bisher bei klassenüblicher aktiver Spur- und Tempoführung, fährt eine noch breiter aufgestellte Assistenz auf und schlägt mit LED-Matrix-Beamern gleißende Lichtschneisen in die Nacht.

Die zeigen, was Phase ist

BMW i5 eDrive40
Achim Hartmann

Insgesamt erscheint der i5 im Antrieb – auch wegen der Boost-Funktion – etwas vehementer.

Womit es an der Zeit ist, die Antriebe zu beleuchten. Warum erst jetzt? Weil sich bei i5 und EQE da nicht so erhebliche Unterschiede ergeben. Mit nur im Sport-Modus und Boost aktivierten 250 kW/430 Nm (sonst 230/400) beschleunigt der i5 noch vehementer als der 199 kg schwerere EQE. Doch erlangt auch der ein Temponiveau großer Eilfertigkeit, dazu die höhere Höchstgeschwindigkeit. Doch ist die schiere Sprintwucht im Alltag viel weniger präsent als die ansatzlose, homogene, rastlose Kraft.

Hah, rastlos! Dazu haben wir alten Nockenwellenschleifer wieder etwas Neues aus der Welt der magnetbestückten E-Maschinen gelernt. Da können bei niedrigen Geschwindigkeiten durch Rastmomente Vibrationen auftreten. Wegen Änderung des Luftspaltes beim Wechsel von Ankerzahn zu Ankernut gegenüber den Permanentmagneten schwankt der elektrische Widerstand und so das Drehmoment. Der EQE-Antrieb vermeidet das mit einer speziellen Wicklung, der Statorschrägung.

Wie bei den Fahrleistungen liegen i5 und EQE bei der Effizienz eng beieinander. Mit 27,7 kWh/100 km im Test verbraucht der i5 nur 0,5 kWh weniger als der EQE. Auf der Eco-Runde reduziert sich der Vorteil auf 0,1 kWh. So sparsam gefahren genügt dem BMW eine Ladung für 443 km, dem Mercedes wegen des größeren Akkus für 486 km. Im Testschnitt bieten beide mit 328 und 354 km für Reiselimousinen enge Aktionsradien.

Die lassen sich immerhin fix wieder aufspannen, da beide mit hoher Leistung laden. Läuft also, das Laden mit den E-Autos. Wie der Laden mit den E-Autos so weiterläuft? Wir werden es wissen, wenn ein paar Wochen ins und einige Hundert Millionen Tassen Tee im Land gezogen sind.

Fazit

1. Mercedes EQE 350
650 von 1000 Punkte
2. BMW i5 eDrive40
644 von 1000 Punkte
Technische Daten
Mercedes EQE 350 BMW i5 eDrive40 M Sportpaket
Grundpreis70.995 €73.300 €
Außenmaße4946 x 1961 x 1510 mm5060 x 1900 x 1515 mm
Kofferraumvolumen430 l490 l
Höchstgeschwindigkeit210 km/h193 km/h
0-100 km/h6,4 s5,7 s
Verbrauch16,0 kWh/100 km15,9 kWh/100 km
Testverbrauch28,2 kWh/100 km27,7 kWh/100 km
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AUTO MOTOR UND SPORT 11 / 2024
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Erscheinungsdatum 08.05.2024

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