Dauertest Audi RS 6 Avant
67.000 Kilometer im 560-PS-Kombi

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Die Freude war groß, als wir die Zusage für den Dauertest-Kandidaten Audi RS 6 Avant bekamen. Und wie stand es um die Begeisterung nach 67.000 Kilometern?

Audi RS 6 Avant - Kombi - Dauertest
Foto: Rossen Gargolov

Selten hat ein Dauertestfahrzeug in der sport auto-Redaktion für so viel Begeisterung gesorgt wie der Audi RS 6 Avant auf seinen Touren über insgesamt 67.000 Test-Kilometer.

Und diese Begeisterung ging bereits vor dem offiziellen Dauertestbeginn los. Die ersten Jubelstürme tobten schon bei der Zusage, dass wir den RS 6 überhaupt in den Dauertest übernehmen durften, durch die Redaktionsräume. Auch wenn wir beim Thema Langzeitfuhrpark natürlich schon sehr verwöhnt werden, ist ein 560 PS starker RS 6 alles andere als eine Selbstverständlichkeit im Dauertestbetrieb.

Audi bittet um Wunschkonfiguration

Das Sechser-im-Lotto-Gefühl ging weiter, denn Audi bat höflich um unsere Wunschkonfiguration. Ja, wir hatten richtig gehört – jetzt durften wir auch noch die Ausstattung des Power-Kombis nach unseren Wünschen zusammenstellen. Und auch unsere Konfiguration ging durch – mit dem dezenten Hinweis von Audi-Seite, wir hätten „die RS-Sportabgasanlage vergessen“, und dass diese noch in der Konfiguration ergänzt werde. Wir danken zum Abschluss noch einmal für diese Korrektur!

Audi RS 6 Avant - Kombi - Dauertest
Jonas Greiner
Der RS 6 überzeugte uns im Dauertest.

„Was für ein grandioses Akustik-Gewitter“ lautet dann auch der erste frohlockende Eintrag in den Dauertestnotizen über das wahlweise dumpfe Wummern oder freche Auspuffrotzen des Audi RS 6. Zugegeben, die optionale RS-Sportabgasanlage hatten wir in unserer Euphorie einfach vergessen, und wir wollten ja auch nicht unverschämterweise alle Häkchen in der Optionsliste für eine Vollausstattung ankreuzen. Geht man bei der Konfiguration in die Vollen, kann der Grundpreis von 112.000 Euro auf über 200.000 Euro klettern. Verrückt: Dafür könnte man auch einen R8 V10 Plus kaufen.

Bei Übernahme in den Dauertest im März 2016 lag der Grundpreis bei 109.999 Euro, stieg aber bei unserem RS 6, trotz relativ wenig ausgewählter Optionen, schnell auf einen Testwagenpreis von 144.090 Euro.

Charakterstarker Traumwagen

Die Farbgebung des Power-Kombis erinnert Sie an eine Audi-Legende aus dem Jahr 1984? Dann haben Sie unsere Farbauswahl durchschaut. Die Kombination aus der Individual-Lackierung Goodwood Green und den in der Audi-Exklusivabteilung weiß lackierten Rädern soll an den kurzen Sport Quattro erinnern, der in Malachitgrün mit weißen Ronal-Felgen nur 15-mal gebaut wurde.

Eine hochseriöse Farbkombination, die den Audi RS 6 Avant mit seinem eleganten Auftritt nicht nur zum beliebten Schnappschussmotiv an Tankstellen machte, sondern ihn auch zweimal während unseres Dauertests als ideales Hochzeitsauto qualifizierte. So schipperte IN-AK 8450 Caro und Jonas, Jens und Myriam sicher in den Hafen der Ehe.

Audi RS 6 Avant - Kombi - Dauertest
Christian Gebhardt
Die Kombination aus der Individual-Lackierung Goodwood Green und den in der Audi-Exklusivabteilung weiß lackierten Rädern soll an den kurzen Sport Quattro erinnern.

Die weißen Räder können wir jedoch nur als feierliche Ausgehschuhe für besondere Anlässe empfehlen, da diese sehr anfällig bei Steinschlägen waren. Und: Wer auf weiße Räder steht, sollte idealerweise einen Putzfimmel haben. In den weißen Rädern setzte sich der Bremsstaub schnell hartnäckig fest.

Neben den silbernen Aluminium-Gussrädern für die Wintermonate trug der RS 6 daher die meiste Zeit die Aluminium-Gussräder im Fünf-Doppelspeichen-Design in Titanoptik matt. Beide Radsätze waren wesentlich unempfindlicher im Alltagsbetrieb. Ungeachtet dessen: Der weiße Radsatz in Kombination mit besagtem Lackkleid und zahlreichen Carbonteilen machen aus dem Power-Kombi erst Recht einen charakterstarken Traumwagen.

V8-Biturbo mit Dampf und Zylinderabschaltung

Bei entspanntem Bummeltempo mit hochzeitlicher Blumengirlande oder allgemein bei innerstädtischen Fahrten fällt der V8-Biturbo dank Zylinderabschaltung oft in seinen Vierzylindermodus. Die sogenannte Cylinder-on-demand-Technik schaltet bei niedriger bis mittlerer Last und Drehzahl – bis etwa 250 Nm und 3.500/min – die Zylinder 2, 3, 5 und 8 ab, indem sie die Ventile schließt und Einspritzung sowie Zündung stilllegt.

Wie das System funktioniert, darüber waren die Redaktionskollegen geteilter Meinung. Während die Arbeitsweise der Zylinderabschaltung von einigen als unauffällig gelobt wurde, schrieb ein anderer ins Dauertest-Fahrtenbuch: „Die Zylinderabschaltung arbeitet unharmonischer als beim Audi S6. Motor brummt im Vierzylinderbetrieb, und die Umschaltrucke sind auch deutlicher spürbar.“

Aber seien wir ehrlich, so selten wie bei uns hat sich ein Audi RS 6 Avant wohl noch nie im Vierzylindermodus bewegt. Nomen est omen – bei sport auto wurde der V8-Biturbo eher als Renn-Reisekombi genutzt. Vom ersten Kilometer an war der RS 6 der beliebteste Langstreckenbegleiter. Minimale Kritikpunkte wie die spitze Gasannahme waren dann schnell vergessen. Unabhängig davon, in welchem Modus die Motorcharakteristik im Drive-select-Fahrprogramm justiert wird, fährt der RS 6 so aggressiv an, als wolle er vermeiden, dass ihm einer ein Turboloch vorwerfen kann.

Audi RS 6 Avant - Kombi - Dauertest
Rossen Gargolov
560 PS und 700 Nm bergen Suchtpotential.

Die Überlegenheit von 560 PS und einem maximalen Drehmoment von 700 Newtonmetern hat vor allem auf der Autobahn Suchtpotenzial. Fast spielerisch zappt sich die Achtgangautomatik durch die Fahrstufen. Die Höchstgeschwindigkeit von echten 305 km/h setzt der RS 6 im Dauertest verblüffend schnell in die Praxis um.

Die Vmax-Anhebung von 250 auf 305 km/h ist Bestandteil des optionalen Dynamikpakets Plus. Zylinderabschaltung hin oder her, auf der Autobahn kann der Vierliter-Biturbo seinen Durst genauso wenig zügeln wie eine Junggesellenabschiedsrunde auf dem Oktoberfest. Wer sich im RS 6 nicht zurückhalten kann, knackt auf leeren Autobahnen schnell die Verbrauchsmarke von 30 Litern auf 100 Kilometer.

Verbrauch des RS 6

Man muss kein Mathe-Genie sein, um zu errechnen, dass der 75-Liter-Tank dann zu einer Mehrstoppstrategie auf langen Reisen zwingt. Schwamm drüber, es war klar, dass Hochoktaniges im Spiel sein muss, damit die Masse von über zwei Tonnen so atemberaubend beim Sprint verheimlicht werden kann.

Um die Verbrauchsanzeige im Kombi-Instrument in Richtung Zehn-Liter-Marke zu drücken, muss man im Lkw-Windschatten kriechen. Wer also mit dem Power-Kombi liebäugelt, dem sollte klar sein, dass er nicht mit Minimalverbräuchen rechnen kann.

Sein Gewicht verheimlicht der RS 6 nicht nur mit der sportwagenähnlichen Höchstgeschwindigkeit, sondern auch mit seiner für den Alltag überzeugend ausgelegten Fahrwerksabstimmung. Teil des optionalen Dynamikpakets Plus ist das RS-Sportfahrwerk mit Dynamic Ride Control, das im Vergleich zum serienmäßigen Luftfahrwerk prinzipiell straffer abgestimmt ist. Ähnlich wie bei der ebenfalls im Dynamik-paket Plus mitgelieferten Dynamiklenkung bietet dieses Adaptivfahrwerk die drei wählbaren Set-ups Comfort, Auto und Dynamic.

Während das Adaptivfahrwerk im Comfort-Modus mit einer angenehmen, alltagstauglichen Federung arbeitet, ist die Abstimmung im Dynamic-Modus wirklich nur etwas für nächtliche Autobahn-Kurvenlegenden à la Kasseler Berge.

Da es keine nennenswerten Nick- und Rollbewegungen gibt, vergisst man dann im Audi RS 6 Avant fast, dass hinter den auch nach 67.000 Dauertest-Kilometern fast neu aussehenden RS-Sportsitzen noch ein Familienabteil für Kindersitze und Gepäck angedockt ist. Mit Kind und Kegel sollte der Einsatz dieses Fahrwerksmodus jedoch wohlüberlegt sein, denn die recht harte Abstimmung schüttelt die Passagiere auf Querfugen oder Bodenwellen gehörig durch.

Allrad-Gaudi dank Sportdifferenzial

Beim optionalen Dynamikpaket Plus wird der Antriebsstrang mit permanentem Allradantrieb noch um das Sportdifferenzial mit aktiver Momentenverteilung zwischen kurveninnerem und -äußerem Rad ergänzt. Übersetzt in die Praxis heißt das: Auf verschneiten Bergstraßen, wie beispielsweise vom schweizerischen Chur nach Arosa, ist Allrad-Gaudi vorprogrammiert. Dabei punktet der RS 6 nicht nur mit hervorragender Traktion, er drückt unter Last auch leicht mit dem Heck. Egal ob verschneiter oder trockener Asphalt – der RS 6 fährt sich agiler als so mancher Kompaktsportler.

Audi RS 6 Avant - Kombi - Dauertest
Rossen Gargolov
Allradantrieb und Sportdifferenzial mit aktiver Momentenverteilung.

Auf den ersten 20.000 Kilometern war die Dauertestweste des RS 6 so blütenweiß wie seine 21-Zoll-Räder. Bei Kilometer 21.633 bekam der Null-Fehler-Auftritt dann jedoch den ersten Schuss Kritik ab. „Seltsam! Im Regen immer leichter Zug nach rechts bei gleichzeitigem Einknicken der Leistung/Gasannahme. Vermutliche Ursache: Das automatische Anlegen der Bremse zum Lösen des Wasserfilms auf der Bremsscheibe erfolgt unausgeglichen, also rechts mehr als links. Das System kooperiert offensichtlich mit dem Regensensor. Sobald die Wischer stillstehen, verschwindet das Phänomen. Nach Fahrtende Bremse vorne rechts sehr heiß“, schrieb ein Kollege den längsten Eintrag ins Fahrtenbuch.

Dauertestlob für den RS 6 Avant

Bei keinem RS 6 zuvor oder nach unserem Dauertestwagen fiel die Keramikbremse mit einem derartigen Phänomen auf. Daraufhin wurden in der Werkstatt die „Grundeinstellung und Feinadaption an der Bremsscheibenwischfunktion“ durchgeführt. Die sogenannte „wet fading compensation“ verhindert durch automatisches Anlegen der Bremsbeläge in gewissen Zeitabständen, dass sich bei Regen zu viel Wasser auf den Bremsscheiben sammelt.

Würde sich Wasser auf den Bremsscheiben sammeln und der Fahrer länger nicht bremsen, wäre dann beim Anbremsen Fading spürbar. Dieses Nassfading verhinderte die Bremsanlage unseres Dauertestwagens jederzeit wirkungsvoll. Höchstwahrscheinlich legte die Bremsanlage vor besagtem Werkstattbesuch den Bremsbelag auf der rechten Seite stärker als auf der linken Seite an. Die Folge hatten wir bereits erwähnt: Bei Regen zog der RS 6 in Abständen immer wieder leicht nach rechts. Beim dadurch nötigen einzigen unplanmäßigen Boxenstopp außerhalb der Service-Intervalle konnten in der Audi-Vertragswerkstatt jedoch keine Auffälligkeiten festgestellt werden. Notizen des Mechanikers: „Bremse mechanisch nicht auffällig, Belag/Scheibe i. O., Verschleiß: rechts und links gleich.“

Es sollte der einzige Eintrag im Dauertest-Klassenbuch des RS 6 Avant bleiben. Daumen hoch hieß es nach genau 67.183 zum größten Teil fehlerfreien Kilometern.

Die Daten zu unserem Dauertest mit dem Audi RS 6

  • Dauertest-Beginn: 2186 km
  • Dauertest-Ende: 69.369 km
  • Gefahrene Kilometer 67.183 km
  • Spritverbrauch insgesamt 10.692 Liter
  • Verbrauch minimal: 12,1 l/100 km
  • Verbrauch maximal: 32,6 l/100 km
  • Durchschnittsverbrauch: 15,9 l/100 km
  • Ölverbrauch außerhalb der Inspektionen: 2,0 Liter
  • Grundpreis 2016: 110.000 Euro

Extras 34.090 Euro: Individuallackierung Goodwood Grün 2.750 Euro, Dynamikpaket Plus 14.000 Euro, Audi Connect 920 Euro, Außenspiegelgehäuse in Carbon 1.400 Euro, Optikpaket Carbon 4.500 Euro, Komfortpaket 1.400 Euro, Komfortschlüssel inkl. Alarmanlage 790 Euro, 21-Zoll-Räder 1.800 Euro, Motorraumabdeckung in Carbon 500 Euro, Sportabgasanlage 1.000 Euro, Adaptive Cruise Control 1.510 Euro, Dämm-/Akustikglas 1.190 Euro, Head-up-Display 1.380 Euro, Leder Valcona 950 Euro

  • Testwagenpreis 2016: 144.090 Euro
  • Schätzpreis am Dauertest-Ende (DEKRA): 89.000 Euro
  • Wertverlust 55.090 Euro
  • Grundpreis 2018 112.000 Euro (Hinweis auf der Audi-Seite: Im aktuellen Modelljahr 2018 ist der RS 6 bereits ausverkauft und daher nicht mehr individuell konfigurierbar. Jedoch sind bereits produzierte Fahrzeuge verfügbar.)
Technische Daten
Audi RS 6 Avant
Grundpreis112.000 €
Außenmaße4979 x 1936 x 1482 mm
Kofferraumvolumen565 bis 1680 l
Hubraum / Motor3993 cm³ / 8-Zylinder
Leistung412 kW / 560 PS bei 5700 U/min
Höchstgeschwindigkeit250 km/h
0-100 km/h3,7 s
Verbrauch9,6 l/100 km
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Sport Auto 03 / 2022
Sport Auto 03 / 2022

Erscheinungsdatum 04.02.2022

132 Seiten