VW ID.5 gegen Hyundai Ioniq 5 & Polestar 2 im Test
Was können die einmotorigen Stromer?

Einmotorige Stromer kosten weniger, schaffen mehr Reichweite und sind trotzdem dynamisch. Wer also bietet das bessere Konzept: Hyundai und VW mit Hinterrad- oder Polestar mit Vorderradantrieb?

Hyundai Ioniq 5, Polestar 2, VW ID.5
Foto: Hans-Dieter Seufert

Sicher, so ein Allradantrieb ist schon praktisch. Vor allem auf zugeschneiten Straßen oder verregneten Pisten und überall dort, wo es eben sonst noch rutschig ist. Aber ganz ehrlich: Wo schneit’s bei uns denn noch regelmäßig? Höhenlagen mal ausgenommen. Auf den meisten Strecken fahren wir die Allradteile – die übrigens auch kaputtgehen können – also eh bloß spazieren und brauchen dafür auch noch mehr Energie. Ganz abgesehen vom höheren Anschaffungspreis.

Unsere Highlights

Besonders beim Elektroauto ist der Antrieb aber ein heikles Thema, weil die Stromvehikel dazu in der Lage sind, immer, überall und dann auch noch sofort hohe Drehmomentgebirge aufzutürmen. Hier ist Allrad sinnvoll, weil spürbarer Schlupf beinahe ausgeschlossen ist. Allerdings muss man dafür immer eine zusätzliche Maschine mitschleppen. Inzwischen ist die Leistungsannahme mittels elektronisch gesteuerter Fahrpedale jedoch meist etwas abgesoftet, sodass auch grobmotorisch eingestellte Gasfüße mit einachsigem Antrieb schlupfreduziert losfahren können. Stellt sich bloß noch die Frage, ob Vorder- oder Hinterradantrieb?

Starten wir mit dem Newcomer im Test-Trio, dem VW ID.5. Wobei neu eigentlich nur die Karosserieform ist, denn der fast 4,60 m lange SUV-Coupé-Crossover baut auf dem ID.4 auf, hat also Motor und Antrieb an der Hinterachse. 150 kW und 310 Nm leistet die PSM-Maschine, die den 2.168 Kilogramm schweren Koloss in 3,2 Sekunden auf Stadtgeschwindigkeit beschleunigt und ihn im B-Modus mit bis zu 0,3 g oder 100 kW Rekuperationsleistung wieder verzögert.

VW ID.5
Hans-Dieter Seufert
VW ID.5 Pro Performance: 204 PS, 310 Nm, ab 48.970 Euro, Basispreis Baureihe 47.935 Euro.

Eine Frage des Rollens

Ein echtes Einpedal-Fahren ist das aber nicht, denn für den finalen Stopp muss man die mechanische Bremse treten. Stellt man den vom Lenkrad leicht verdeckten Fahrschalter auf D, rekuperiert das System hingegen nicht, sondern lässt den Trumm rollen, was vor allem auf der Autobahn Sinn ergibt. So kann man Strom sparen (Eco-Verbrauch: 19,1 kWh/100 km) und damit nicht nur die Fahrtkosten reduzieren, sondern auch die Verweildauer an der Ladesäule, wo der ID.5 seinen 77 kWh großen Akku mit bis zu 135 kW Leistung befüllen lässt. Im Ladetest an der HPC-Station kommt der mit knapp 49.000 Euro preislich schon recht volksferne Volkswagen dabei auf einen hohen Ladeschnitt (siehe Grafik nächste Seite), sodass die Tankpausen kurz ausfallen.

Überhaupt muss der VW auf der Langstrecke nie lange am Kabel hängen, da die jüngst überarbeitete Routen- und Ladeplanungs-Software (Stand: 3.1.0) im Test einwandfrei funktionierte – bis auf einen dreiminütigen Komplettausfall. So berechnet das System neben der schnellsten Route auch die nötigen Ladestopps, prognostiziert ziemlich genau den Batteriestand (SoC) bei Ankunft an der Stromtankstelle und wie viele Minuten geladen werden muss, um mit einem zuvor vom Fahrer definierten Reichweiten-Puffer ans nächste Zwischen- oder Endziel zu gelangen. Außerdem aktualisiert der Bordcomputer die Route ständig auf Basis von Verkehrsinformationen und ist dabei oft fixer als Google Maps. Neu ist, dass man vom Computer gewählte Ladestationen gegen andere, nahe gelegene Stationen tauschen kann, zum Beispiel, um günstiger Strom zu zapfen. Außerdem zeigt das kleine mit der Lenksäule verbundene Instrumentendisplay ab sofort mehr Infos zu SoC- und Verbrauchsdaten an.

Hinterm Testwagenlenkrad hat man’s bequem auf wegen des Halbleitermangels aktuell nicht konfigurierbaren ErgoActive-Sitzen. Zwischen den Stühlen bleibt Platz für ein ordentliches Getränkearsenal sowie mehrere Smartphones. Die Bezahlkarte vom Ladestromanbieter passt prima in einen der Schlitze unter den Luftausströmern. Bequem haben es auch die Passagiere in Reihe zwei, mit gut nutzbarer Beinauflage und tiefem Fußboden. Allerdings sind der Einstieg und der Raum überm Kopf etwas knapper bemessen.

Etwas vergessen? Ja, das Gepäck; wobei das flacher abfallende Dach gar nicht so sehr einschränkt und man bei umgeklappten Sitzen richtig viel laden kann – für 1.630 Euro im Paket auch trennnetzgesichert. Standard ist das flache Kabelfach unterm Ladeboden, denn im Bug des ID.5 war kein Platz mehr. Auf frisch asphaltierten Wegen fällt das hohe Gewicht des VW kaum auf, denn die adaptiven Dämpfer (Sportpaket Plus für 1.150 Euro) filtern Unebenheiten gut, obwohl dazwischen ungefederte Massen in Form von sportlich bereiften 21-Zoll-Rädern (1.530 Euro) montiert sind. Reduziert man das Tempo und konfrontiert das Fahrwerk mit Fugen und Kanten, reagiert speziell die Hinterachse weniger fein. Kurvt man hingegen zügig über Landstraßen, passt das Set-up, findet der ID.5 einen guten Kompromiss aus Komfort und Dynamik und verkneift sich allzu große Karosseriebewegungen.

Müssen wir noch viele Worte über die reduzierte, ablenkende Touchbedienung des VW verlieren? Wahrscheinlich kaum, denn eigentlich ist alles gesagt. Bloß zur Erinnerung: keine Direktwahltasten, Klima- und Lautstärke-Slider ohne Beleuchtung, nur zwei Taster nebst Umschalt-Touchfläche für vier Fenster.

Polestar 2
Hans-Dieter Seufert
Polestar 2 Longe Range Single Motor: 231 PS, 330 Nm, ab 46.925 Euro, Basispreis Baureihe 43.725 Euro.

Menü zwei, bitte

Okay, auch so ein Polestar-Cockpit ist touchdominiert, und die Tasten auf dem Lenkrad sind nicht beschriftet. Allerdings sind die Menüs hier grafisch übersichtlicher aufbereitet und die Funktionsflächen auf dem Bildschirm so groß angelegt, dass die Treffsicherheit steigt. Abgesehen davon ist der Zweier eine ganz andere Sorte Auto. Zwar ähnlich breit und lang wie ein ID.5, jedoch deutlich flacher, kantiger, innen enger, die Passagiere mehr ins Auto einbindend. Und so fühlt er sich auch hinterm Lenkrad an: straff und sportlich, weil Gefühl und Dosierbarkeit am und mit dem Bremspedal klarer sind. Im Vergleich zum VW ist er steifer und auch eine Spur spartanischer, weil Abroll- und Windgeräusche höher liegen, das nicht verstellbare Fahrwerk mit straffem Set-up und nur mäßig gedämpfter Hinterachs-Zugstufe jeden Teerflicken nach oben kommuniziert, statt auch nur den Versuch zu unternehmen, ihn zu verheimlichen. So kurvt man zügig und zielgenau, kann das Heck durch kleine Lastwechselimpulse spielerisch zum Mitlenken motivieren, hat an dieser Stelle aber einen Nachteil: den Vorderradantrieb. Der vergrößert nicht nur den Wendekreis, sondern zupft bei höheren Lasten auch noch ordentlich an der UHP-Bereifung.

Nicht ganz auf der Höhe

Weil unser Testwagen das letzte Software-Update P2.2 knapp verpasst hat (Stand P2.1), sind nicht alle neuen Funktionen an Bord. Neben der Verbesserung von Effizienz, Assistenz und Anzeigen soll es nun endlich auch eine Apple-CarPlay-Integration geben, die wir dann beim nächsten Test ausprobieren werden.

Nichts geändert hat sich selbstverständlich an der Hardware des Kofferraums mit im Vergleich geringen Ladevolumen (446–1.095 Liter) und dem flotten Ladetempo. 150 kW Spitzenleistung sind mit dem großen Akku (75 kWh netto) möglich, wobei die Power ab 50 Prozent SoC schwindet und das den Schnitt so weit drückt, dass der Polestar bis 80 Prozent vom mit weniger Spitzenleistung, aber höherer Konstanz ladenden ID.5 überholt wird. Das passiert auf der Straße nicht, denn mit Durchzug, Elastizität und Ansprechverhalten liefert der einmotorige Polestar nicht nur objektiv die besseren Werte, sondern macht diese auch im Fahrersitz erlebbar.

Das Wogen raus

Ein ganz anderer Typ ist der ebenfalls nicht adaptiv gedämpfte Ioniq 5, dessen Fokus mehr auf Komfort, Platzangebot und Ladeerlebnis liegt. Ohne dass man sich unsicher fühlte, wogt der im Vergleich mit deutlich unter zwei Tonnen leichte Koreaner mehr, bewegt sich die weichere Karosserie stärker in der Vertikalen. Auch die gefühlsarme Lenkung unterstreicht das distanziertere Handling, wobei man schon Spaß haben kann im einmotorigen Ioniq 5. Denn auch hier sind Synchronmaschine und Antriebswellen an der Hinterachse montiert, dreht das Heck kurvenausgangs unter Last leicht mit. Doch Obacht, wenn es nass ist; denn das Fahrpedal spricht zackig an, und die plötzlich über die Hinterräder herfallenden 350 Nm Drehmoment können einen kalt erwischen.

Hyundai Ioniq 5
Hans-Dieter Seufert
Hyundai Ioniq 5 (72,6 kWh): 217 PS, 350 Nm, ab 47.000 Euro, Basispreis Baureihe 41.900 Euro.

Völlig entspannt hingegen kann man mit dem Hyundai cruisen, sich im variablen Innenraum vor Platz nach allen Seiten und Ablagemöglichkeiten kaum retten. Praktisch sind der Lautstärke-Drehknopf nebst Direktwahltasten für Navigation oder Radio. Dafür wurde allerdings bei der Sprachbedienung gespart, denn die virtuelle Assistentin versteht bloß ganz bestimmte Formulierungen, sodass man die gewünschte Einstellung doch eben schnell über den Touchscreen eintippt.

Auf Strecken, die mehr als eine Akkuladung erfordern, muss man die Ladestationen im Ioniq übrigens selber suchen – was nervt, wenn man weiß, dass es mit Polestar und VW Hersteller gibt, die einem das abnehmen. Allerdings arbeite man an einer Lösung, sagt Hyundai. Nicht mehr warten muss man auf die aus dem Kia EV6 bekannte, etwas größere 77,4-kWh-Batterie samt Möglichkeit der Vorkonditionierung, die den 72,6-kWh-Speicher ablöst und ab sofort für einen Aufschlag von 2.000 Euro als Modelljahr 2023 bestellbar ist. Aktuelle Wartezeit bis Auslieferung: etwa acht Monate.

Der Schnitt macht’s

Am Gleichstromlader entscheidet vor allem die durchschnittliche Ladeleistung, nicht immer die Höchstleistung.

Ladekurve, Hyundai Ioniq 5, Polestar 2, VW ID.5

Dass der Ioniq 5 mit seiner 800-Volt-Technik und maximal 220 kW am HPC-Kabel den Ton angibt, ist keine Überraschung. Schon nach 18 Minuten reißt der Akku die 80-Prozent-Füllstandsmarke – obwohl er nicht vortemperiert wird (ab Modelljahr 2023 möglich). Polestar und VW setzen auf 400 Volt Spannung und tanken Strom mit höchstens 150 respektive 135 kW. Allerdings ist die ID.5-Batterie deutlich schneller auf 80 Prozent, weil sie auch über 50 Prozent SoC noch hohe Ströme akzeptiert, das Batteriemanagement im Polestar 2 die Ladeleistung hingegen stärker reduziert und ihn so ausbremst.

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Fazit

1. Hyundai
617 von 1000 Punkte

Erster. Der Ioniq 5 macht’s mit hohem Ladetempo, bester Variabilität, viel Platz und angenehmem Komfort. Wenn jetzt noch die Routen-/Ladeplanung kommt, ist alles gut.

2. Polestar
588 von 1000 Punkte

Zweiter. Der Polestar 2 macht’s mit flottem Antrieb, agilem Handling, guter Bedienbarkeit sowie feiner Qualität. Etwas mehr Platz sowie Komfort, und er wäre in Schlagdistanz.

3. VW
586 von 1000 Punkte

Nur knapp Dritter – wegen der Kosten. Und wegen der Bedienung. Ansonsten glänzt der ID.5 mit tollem Komfort, guter Dynamik, großem Raum und kleinem Wendekreis.

Technische Daten
Hyundai Ioniq 5 Polestar 2 Long Range Single Motor VW ID.5 Pro Performance Pro
Grundpreis54.800 €50.995 €48.970 €
Außenmaße4635 x 1890 x 1605 mm4606 x 1859 x 1479 mm4599 x 1852 x 1616 mm
Kofferraumvolumen527 bis 1587 l446 bis 1095 l549 bis 1561 l
Höchstgeschwindigkeit185 km/h160 km/h160 km/h
0-100 km/h7,7 s8,7 s
Verbrauch0,0 kWh/100 km17,1 kWh/100 km0,0 kWh/100 km
Testverbrauch24,6 kWh/100 km24,9 kWh/100 km