Debatte um Fahrerlaubnisprüfungs-Monopol
Lange Wartezeit auf Fahrprüfung - wer ist schuld?

Die Corona-Pandemie ist ein Grund dafür, dass Fahrschüler derzeit lange auf Termine für die praktische Prüfung warten müssen. Es gibt aber noch weitere, tief im System verankerte Ursachen. Fällt deshalb langfristig das Fahrerlaubnisprüfungs-Monopol von TÜV und Dekra.

Fahrschule Fahrprüfung
Foto: GTÜ

Fahrschüler und -lehrer haben derzeit kein einfaches Leben. Nicht nur, dass sie in weiten Teilen Deutschlands derzeit ständig Schutzmasken bei ihrer Ausbildung und Arbeit tragen müssen. Sie warten zudem derzeit meist auch besonders lange auf einen Prüftermin – und zwar egal in welcher Klasse. Das hat natürlich in erster Linie mit der Corona-Pandemie zu tun. Doch die langen Wartezeiten sind nicht erst seit den Lockdowns Realität. Klar, COVID-19 hat nicht zur Entspannung der Situation beigetragen, aber auch schon in den Jahren zuvor hatten Fahrschulen in ganz Deutschland Probleme, in ausreichender Zahl an zeitnahe Termine für ihre Prüflinge zu kommen.

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Verlängerte Prüfung schränkt zeitliche Flexibilität ein

Seit Anfang 2021 dauern die praktischen Fahrprüfungen in allen Klassen zehn Minuten länger (Auto: 55 Minuten, Motorrad: 70 Minuten, Lkw und Bus: 85 Minuten). In der Klasse B, in der die meisten Fahrprüfungen stattfinden, bedeutet die Verlängerung, dass ein Prüfer an einem normalen Arbeitstag nicht mehr elf Anwärter prüfen kann, sondern nur noch neun. Das sind 20 Prozent weniger Prüfungen, was sich hochgerechnet spürbar auswirkt. Die Fahrlehrerverbände versuchten im Jahr 2020, bei der Bundesregierung noch eine Verschiebung oder Aussetzung der neuen Regelung zu erwirken, was die Bundesregierung wiederum dazu veranlasste, beim TÜV-Verband nachzufragen, wie es um die Kapazitäten stünde. Die Kapazitäten würden auch für den neuen Prüfungsumfang ausreichen, so die Auskunft der Prüforganisation. Das Ergebnis scheinen jedoch noch längere Wartezeiten zu sein.

Der Hintergrund der "optimierten praktischen Fahrerlaubnisprüfung" ist freilich ein guter: Bisher wurden keinerlei Informationen digital erfasst, aus welchen Gründen Prüflinge durchfallen, welche Aufgaben in der Prüfung gestellt und welche Fehler gemacht wurden. Um bundesweit einheitliche Prüfstandards zu gewährleisten und die Prüflinge optimaler für die Prüfung vorzubereiten, können gebündelte Informationen in digitaler Form natürlich beitragen. Für die digitale Erfassung und das Feedbackgespräch wurde um fünf Minuten verlängert. Im selben Maße wurde die Fahrzeit erweitert.

Dekra erkennt höhere Durchfallquote

"Auf die verlängerten Prüfungszeiten waren wir eingestellt und haben unsere personellen Kapazitäten entsprechend ausgerichtet", versichert die Dekra in einer Stellungnahme. Die Erfolgsquote bei der praktischen Fahrerlaubnisprüfung sei in den letzten Monaten allerdings deutlich gesunken, weshalb es zusätzlich zu spürbar mehr Wiederholungsprüfungen komme. Hier appelliert die Prüforganisation an die Fahrschulen, "nur diejenigen Bewerberinnen und Bewerber zur Prüfung vorzustellen, die auch tatsächlich prüfungsreif sind, und nur Prüftermine zu vereinbaren, die auch tatsächlich benötigt werden."

Einen weiteren Grund für die langen Wartezeiten sieht der TÜV darin, dass während der Corona-Lockdowns zwar der praktische Ausbildungs- und Prüfbetrieb zum Erliegen kam, der Theorieunterricht und die theoretischen Prüfungen in den meisten Bundesländern aber weiterliefen. "Das Ergebnis: Nach Ende der Lockdowns ist die Nachfrage nach Terminen für die praktische Prüfung in die Höhe geschossen. Hinzu kamen Personalausfälle, weil Prüfer:innen an Corona erkrankt sind oder in Quarantäne gehen mussten. Auch bei Bewerber:innen und Fahrlehrer:innen kam es vermehrt zu kurzfristigen Terminabsagen", so Dr. Joachim Bühler, Geschäftsführer des TÜV-Verbands.

Auch das Fahrprüfungs-Monopol lässt sich als Grund für die langen Wartezeiten zur Führerscheinprüfung sehen. Aktuell regelt Paragraf 10 des Kraftfahrsachverständigengesetzes (KfSachvG) bundesweit, dass ein Bundesland jeweils nur eine Technische Prüfstelle (TP) beauftragen darf. Zwei Organisationen teilen sich bisher die Aufträge – je nach Bundesland führt entweder der TÜV oder die Dekra den Auftrag aus.

Fahrprüfungen aktuell auch samstags

Eine Öffnung des Kraftfahrsachverständigengesetzes könnte langfristig zu kürzeren Wartezeiten führen, kurzfristig jedoch keine Entspannung bringen, denn die Ausbildung zum Fahrprüfer dauere zwei Jahre, so die Einschätzung des Fahrlehrerverbands Baden-Württemberg.

Die Gesellschaft für Technische Überwachung (GTÜ) sieht das anders. Bereits ausgebildete Technische Prüfingenieure bräuchten nur eine Zusatzausbildung, die innerhalb von etwa sechs Wochen absolviert werden könne. GTÜ-Geschäftsführer Robert Köstler schlägt vor, für eine kurzfristige Entspannung die Fahrerlaubnis-Verordnung (FeV) so anzupassen, dass nicht nur amtlich anerkannte Sachverständige die Prüfungen abnehmen dürfen, sondern auch Technische Prüfingenieure mit einer vergleichbaren Ausbildung. Langfristig müsste aber auch das Kraftfahrsachverständigengesetz angepasst werden, denn das Monopol der Technischen Prüfstellen habe sich überholt, so Köstler.

Für die Fahrlehrer ist klar, dass es nur eine Möglichkeit zur kurzfristigen Lösung gibt: TÜV und Dekra könnten sich mit ihrem prüfberechtigten Personal verstärkt auf Fahrprüfungen konzentrieren. Dies geschieht laut einer Stellungnahme des TÜV-Verbands bereits, wie Dr. Joachim Bühler, Geschäftsführer des TÜV-Verbands beschreibt: "Wir haben mit den Fahrlehrerverbänden ein gemeinsames Maßnahmenbündel geschnürt, das wir jetzt umsetzen. Das betrifft vor allem das Personal. Die Fahrprüfer:innen leisten Mehrarbeit und verschieben in Absprache mit den Betriebsräten ihren Urlaub. Soweit möglich, werden amtlich anerkannte Sachverständige aus anderen Arbeitsgebieten ausgeliehen, zum Beispiel aus der Hauptuntersuchung von Fahrzeugen. Außerdem reaktivieren wir Fahrerlaubnisprüfer, die in den Ruhestand gegangen sind. Wichtigste organisatorische Änderung ist die Einführung des Samstags als sechsten Prüfungstag, um zusätzliche Termine anbieten zu können. Die Fahrschulen leisten ihren Beitrag, indem sie besser planen und rechtzeitig stornieren, um die Prüfzeiten optimal auszunutzen."

Monopol-Regelung nicht mehr zeitgemäß

Das erwähnte Kraftfahrsachverständigengesetz stammt aus dem Jahr 1971. Obwohl es einige Anpassungen und Änderungen gab – Paragraf 10 KfSachvG wurde nicht angefasst. Im ersten Absatz heißt es: "Eine Technische Prüfstelle für den Kraftfahrzeugverkehr wird von der Stelle unterhalten, die die Landesregierung oder die von ihr bestimmte Behörde hiermit beauftragt. (…). Für denselben Bereich dürfen nicht mehrere Technische Prüfstellen errichtet und unterhalten werden."

Auf unsere Frage, vor welchem Hintergrund das Gesetz so formuliert wurde, antwortete eine Sprecherin des Bundesministeriums für Verkehr und digitale Infrastruktur (BMVI): "Ergebnis dieser historisch gewachsenen Regelung ist ein fehlender, von den Technischen Prüfstellen von TÜV und Dekra bisher auch nicht gewollter Wettbewerb untereinander." Seinerzeit hat das womöglich Sinn ergeben. Da es nun aber mehr als nur diese beiden Prüforganisationen gibt, scheint eine solche Absprache nicht mehr als zeitgemäße Grundlage für ein Gesetz zu taugen. Es stellt sich auch die Frage, ob der Wunsch einzelner Unternehmen dem Gesetzgeber als Motivation zu einem Gesetz dienen sollte.

Weiterhin heißt es in der Rückmeldung auf unsere Anfrage zum Hintergrund des § 10 KfSachvG: "In die gegenwärtige Diskussion einzubeziehen ist dabei auch, dass ein Wettbewerb unter den Anbietern Belangen der Verkehrssicherheit, und eine solche stellt die Abnahme der Fahrerlaubnisprüfung und damit die verbundene Möglichkeit, Kraftfahrzeuge zu führen, dar, zu wider läuft." Der Wettbewerb im Bereich der Prüforganisationen könnte also die Verkehrssicherheit gefährden – vereinfacht gesagt. Hier sagt auch der Fahrlehrerverband Baden-Württemberg, dass die Öffnung für Wettbewerber natürlich nicht eine Entwicklung dahingehend fördern dürfe, dass Fahrschulen bevorzugt mit der Organisation zusammenarbeiten, die eine besonders niedrige Durchfallquote aufweisen.

Was aber, wenn der Bund den Ländern ein System zur Verfügung stellen würde, in dem alle anerkannten und beauftragten Prüforganisationen ihre Kapazitäten hinterlegen können, ohne dass Namen oder Prüforganisationen angezeigt würden? Die Fahrschulen könnten in einem solchen System ihre Prüftermine buchen, ohne eine Auskunft darüber zu bekommen, welcher Prüfer für diesen Termin vorgesehen ist oder welcher Prüforganisation er angehört. Auch im Vorfeld vereinbarte Kontingente sind denkbar, je nachdem, wie viele Fahrprüfer eine Organisation stellen kann. Jedoch immer verwaltet und gebucht über ein System, das ausschließlich freie Termine anzeigt, nicht aber den Namen des Prüfers geschweige denn die Prüforganisation. Selbstverständlich müsste auch eine einheitliche Preisgestaltung gewährleistet sein, aber auch das könnte der Auftraggeber – in dem Fall das jeweilige Bundesland – festlegen.

Prüfmonopol verstößt gegen EU-Recht

Das Thema Prüfmonopol wird aber jetzt aus ganz anderen Gründen angegangen. Die EU-Kommission leitete am 22.7.2016 ein Vertragsverletzungsverfahren gegen Deutschland ein, in dem sie erklärte, dass in Deutschland geltende Vorschriften (§ 21 StVZO in Verbindung mit §§ 6 und 10 des KfSachvG) die "Niederlassungsfreiheit von Dienstleistern und die Dienstleistungsfreiheit in nicht gerechtfertigter und unverhältnismäßiger Weise beschränkt werde und dass dies einen Verstoß gegen EU-Recht darstelle", wie es im Entwurf zur Zweiten Verordnung zur Änderung der Straßenverkehrs-Zulassungs-Ordnung vom 26.02.2018 heißt. Daraufhin wurde 2019 § 21 der Straßenverkehrs-Zulassungs-Ordnung angepasst und um den Zusatz ergänzt, dass für die Betriebserlaubnis für Einzelfahrzeuge künftig nicht mehr nur ein Gutachten der "nach Landesrecht zuständigen Behörde" vorgelegt werden kann, sondern auch ein Gutachten "eines nach § 30 der EG-Fahrzeuggenehmigungsverordnung zur Prüfung von Gesamtfahrzeugen der jeweiligen Fahrzeugklasse benannten Technischen Dienstes". Damit war das Monopol von TÜV und Dekra in Sachen Betriebserlaubnis für Einzelfahrzeuge Geschichte.

Auf den ersten Blick hat § 21 StVZO nichts mit der Fahrprüfungsabnahme zu tun. Doch hierzu heißt es in der Stellungnahme des BMVI: "Die erfolgten Änderungen im Bereich des § 21 StVZO haben weitreichende Auswirkungen einerseits auf die künftige Stellung der Technischen Prüfstellen (TP) im System der technischen Fahrzeugprüfung und damit auch andererseits auf das System der Fahrerlaubnisprüfung. Hintergrund ist, dass der Aufgabenbereich der TP beide Bereiche umfasst. Über die Auswirkungen im Bereich der Fahrerlaubnisprüfung haben erste Beratungen mit den Ländern stattgefunden. Das Ergebnis ist offen."

Dass es Änderungen im Bereich der Fahrerlaubnisprüfungen geben wird, scheint also klar. Noch undefiniert ist hingegen, wie ein zeitlicher Horizont und die Änderungen aussehen werden.

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Das ergibt Sinn und hat sich bewährt. Die aktuellen Probleme werden sich schon lösen lassen.Das ist überholt und gehört abgeschafft. Das würde die angespannte Lage schnell entspannen.

Fazit

Langfristig könnte sich in Sachen Fahrprüfung tatsächlich etwas ändern. Denn wie es aussieht, haben die Änderung des § 21 StVZO auch Auswirkungen auf das Fahrprüfungs-Monopol. Sollten langfristig mehrere Technische Prüfstellen mit der Fahrprüfungsabnahme beauftragt werden dürfen, gäbe es höchstwahrscheinlich automatisch mehr Prüftermine. Wie und wann es in die Umsetzung gehen könnte, ist aber noch unklar.

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Erscheinungsdatum 08.05.2024

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