Nissan Hyper Force Concept als GT-R-R36-Ausblick
Wird das der elektrische GT-R?

Schon länger wird über die nächste GT-R-Generation mit dem Kürzel R36 spekuliert. Mit der Hyper-Force-Konzeptstudie gibt Nissan nun einen recht konkreten Ausblick auf den Elektro-Sportwagen.

Seit 2007, also seit 16 Jahren, gibt es den aktuellen Nissan GT-R, der intern auf das Kürzel R35 hört und von Fans "Godzilla", der König der Monster, genannt wird. Nach zahlreichen Sonder-, Editions- und Final-Edition-Modellen soll ein Nachfolger des GT-R erst 2028 bereit für den Marktstart sein. Zwischendurch, im Frühjahr 2023, verpassten die Japaner dem R35 nochmals eine Überarbeitung. Das optisch leicht aufgefrischte Modell kommt jedoch nicht zu uns. Nachdem der Supersportler in Europa vor einiger Zeit ausgelaufen ist, warten die Fans sehnsüchtig auf die nächste Generation, die dann das Kürzel R36 tragen wird.

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Nun gibt es einen ersten einigermaßen konkreten Hinweis darauf, wohin beim nächsten Nissan GT-R die Reise in Sachen Technik und Formgebung gehen wird. Auf der Japan Mobility Show, bisher bekannt als Tokyo Motor Show, debütiert der Hyper Force Concept. Das Showcar reiht sich in Nissans Hyper-Konzeptstudien-Quintett ein und spielt darin die Rolle des rein elektrisch angetriebenen Hypercars. Und einige Design-Elemente der komplett aus Carbon gefertigten Karosserie nähren den Verdacht, dass sich aus dem Hyper Force tatsächlich der GT-R R36 entwickeln könnte, der noch etwa fünf Jahre auf sich warten lassen wird.

Einige R35-Design-Zitate

Vor allem das Heck zitiert die R35-Generation in vielen Details. Zum Beispiel bei den elliptischen Rückleuchten und beim eckigen, sehr stufig gestalteten Flügel, die jeweils auf die aktuelle Formgebung referenzieren. Unter dem Hinterteil mit dem beleuchteten Nissan-Schriftzug sitzt ein mächtiger Diffusor. Die schwarzen, aerodynamisch verkleideten Carbon-Räder tragen Dunlop-Sportreifen und rotieren vorn wie hinten in weit ausgestellten Kotflügeln. Auch die Linienführung der Seitenfenster ist ein Zitat der aktuellen Generation. Allerdings zieht sich die Fläche beim Hyper Force Concept im Gegensatz zum R35 nicht bis hinter die B-Säule. So ähnlich haben wir das bereits vor einigen Jahren bei der (virtuellen) Sportwagen-Studie Nissan 2020 Vision Gran Turismo gesehen, bei der die Windschutzscheibe ebenfalls ohne sichtbare A-Säule in die Seitenfenster überging.

Ähnlich martialisch sieht der Nissan Hyper Force Concept aus der Frontperspektive aus. Hier zieht sich die Schürze weit nach vorn, was Platz für einen mächtigen Lufteinlass im unteren Bereich schafft. Die weit nach außen gerückten Scheinwerfer und die jeweils drei seitlich an der Frontschürze angebrachten Aerodynamik-Flaps mit ihren Tagfahrlicht-Spots komplettieren den bedrohlichen Look. Mittig in der Front sitzt ein verpixeltes Lichtelement, das später – mit etwas Fantasie – das bekannte GT-R-Logo formen könnte. Ferner fallen die kompakten Außenspiegel-Kameras und die beweglichen Luftauslässe oberhalb der vorderen Kotflügel auf.

Aktive Aerodynamik mit Plasma-Aktuator

Sie sind Teil einer aktiven Aerodynamik, die obendrein bewegliche Elemente an den vorderen Kotflügeln und am Heckflügel umfasst. Das Hauptaugenmerk lag hier auf einem Kompromiss zwischen optimierter Kühlung und maximiertem Abtrieb. Um Letzteres zu erreichen, soll ein "neu entwickelter Plasma-Aktuator" helfen. Dieser besteht aus zwei metallischen Elektroden und einem Isoliermaterial, das diese voneinander trennt. Durch Anlegen einer hochfrequenten Spannung an die Elektroden wird ein schwach ionisiertes Plasma und damit ein elektromagnetisches Feld in der Umgebungsluft erzeugt, das die geladenen Teilchen beschleunigt. Durch Kollisionen übertragen sie den Impuls auf neutrale Luftmoleküle. Das erzeugt eine Kraft, die zur Strömungsregelung genutzt werden kann, ohne dass mechanische Teile benötigt werden.

Beim Thema Antrieb gibt es bisher nur Eckdaten. Als Teil der Hyper-Konzeptstudien-Familie tritt der Nissan Hyper Force selbstverständlich mit einem reinen Elektroantrieb an. Seine Leistung von bis zu 1.000 kW (1.360 PS) verteilt er GT-R-typisch auf alle vier Räder. Die Energie liefert eine in puncto Kapazität nicht näher bezifferte Feststoffbatterie, die jedoch gewichtsoptimiert ins Chassis gewandert sein soll. Der Elektro-Sportwagen verfügt über die beiden Fahrmodi "R" (Racing) und "GT" (Grand Touring), wobei sich die Fahrwerksabstimmung individuell feinjustieren lässt.

Rot oder Blau im Cockpit

Welchen davon der Fahrer oder die Fahrerin wählt, beeinflusst die Farbwelt, in die er oder sie nach dem Einstieg durch die Scherentüren eintaucht. Im Racing-Modus leuchtet das gesamte Cockpit, das zusammen mit Polyphony Digital Inc. – dem Entwicklerstudio der Videospielreihe "Gran Turismo" – konzipiert wurde, rot. Das Armaturenbrett ist um den Fahrer herum angeordnet. Vier um das Lenkrad gruppierte Bildschirme zeigen Reifenhaftung und -temperatur, Luftdruck, Bremsscheibentemperatur, Leistungsverteilung und andere für den Motorsport wichtige Informationen an.

Im GT-Modus ist das Interieur in Blau gehalten, die Bildschirme bewegen sich weiter weg und verbinden sich zu einer geschlossenen Ansicht. Dadurch entsteht eine Infotainment-Schnittstelle, über die sich Klima- und Audioanlage steuern lassen. Die Sitze bestehen auf Kohlefasergewebe und tragen Vierpunktgurte, während diverse Augmented- (AR) und Virtual-Reality-Anwendungen (VR) die reale mit der virtuellen Welt verschmelzen lassen. So kann der Fahrer oder die Fahrerin bei stehendem Fahrzeug einen speziellen Helm aufsetzen und per VR auf einer virtuellen Rennstrecke gegen andere Motorsportler und Motorsportlerinnen antreten oder die eigenen Bestzeiten optimieren.

"Ich bin ein Ziegelstein!"

Dass Nissan beim nächsten GT-R die Vergangenheit zitieren und im Styling auf die älteren Skyline-Modelle referenzieren wird, deutete sich bereits 2018 an. Entsprechend äußerte sich damals Nissans Designchef Alfonso Albaisa am Rande des Goodwood Festival of Speed. Der neue Nissan GT-R werde sich nicht nur am GT-R by Italdesign orientieren, der auf 50 Exemplare limitiert 720 PS leistet und 900.000 Euro kostet. Auch Design-Elemente von Studien und legendären Modellen würden Einzug halten – wie zum Beispiel die des GT-R R32 aus den Jahren 1989 bis 1994.

Schon damals deutete Albaisa an, dass er einen kantigen Design-Ansatz anstrebt: Der Supersportler muss "ein Tier sein, imposant und exzessiv, nicht dank seiner Flügel, sondern vielmehr mit seiner visuellen Masse, seiner Präsenz und seiner Kühnheit", so Albaisa gegenüber britischen Medien. Sein Design muss laut herausschreien: "Ich bin ein GT-R, ich bin ein Ziegelstein, fangt mich!" Entsprechend kritisierte er die ersten Skizzen seiner Designer auch schon einmal mit den Worten: "Weniger Flügel, mehr Ziegelstein."

Neue Plattform: check, Technik: mal sehen!

Und wie sieht es mit dem Antrieb aus? So ganz einfach ist die Beantwortung der Frage nicht. Mit dem neuen Release-Datum 2028 dürfte das Thema Elektroantrieb deutlicher in den Fokus rücken. Von 2026 an sollen 80 Prozent der Modelle aus der Allianz "Renault-Nissan-Mitsubishi" Elektroautos sein, die auf fünf Plattformen aufbauen. Ersten Gerüchten aus Japan zufolge soll der GT-R als eines der ersten Elektro-Modelle – wie die Hyper-Force-Studie – über eine Feststoffbatterie verfügen. Dass das Thema Technik hochvolatil ist, zeigen die unterschiedlichen Ausführungen zu dem Thema.

So hieß es noch im Frühjahr 2022, der R36 stehe zwar auf einer neuen Plattform, werde aber von einem V6 befeuert – vermutlich mit drei Litern Hubraum. Nissan-Chef Makoto Uchinda erklärte damals gegenüber der britischen "Autocar": "Wir prüfen, wie wir ihn elektrifizieren können", schließlich sei der GT-R ein professionelles Sportmodell ohne Kompromisse. "Der [Nissan] Z ist für jemanden wie mich", so der Nissan-Boss. Der GT-R sei aber eine Profimaschine, die man fit für die Zukunft machen müsse. Dabei ist der Anspruch hoch: Nissan will den Sportwagen als "schnellsten Supersportwagen der Welt" positionieren. Dafür müssten deutlich mehr als die 600 PS der aktuellen Nismo-Version auf dem Datenblatt stehen – 900 PS wünscht sich die Gerüchteküche.

Frontantrieb ist ein Unding

Als Antriebsstrang kam früheren Spekulationen zufolge der aus dem Hybrid-Rennwagen LMP1 GT-R stammende, doppelt aufgeladene 3,0-Liter-V6 aus dem Jahr 2015 infrage, der mit einer Systemleistung von über 1.400 PS daher kam. Allerdings wirkte der Antrieb beim Sportwagen ausschließlich auf die Vorderräder – ein Unding für den GT-R. Einmal davon abgesehen, dass sich Nissan wegen der schlechten Trainingsergebnisse des Modells final aus der LMP1 zurückzog, war ein entsprechender Antriebsstrang, der dann auf alle vier Räder wirkt, damals durchaus denkbar.

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Fazit

Inzwischen haben sich die Zeiten geändert, Nissan beschleunigt seine Elektro-Strategie. "Wir wollen eine sauberere, sicherere und integrativere Welt für alle schaffen, ohne Kompromisse bei unseren Leidenschaften und Träumen einzugehen. Dafür stehen die neuen Elektrofahrzeuge", sagte Nissan-Chef Uchida am Rande der Japan Mobility Show 2023. Insofern könnte der Hyper Force Concept näher an der GT-R-R36-Realität sein, als es auf den ersten Blick wirkt. Und ziemlich sicher wird das für 2028 angekündigte Serienauto über einen rein elektrischen Antrieb verfügen.

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AUTO MOTOR UND SPORT 11 / 2024
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Erscheinungsdatum 08.05.2024

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