WLTP/RDE ungünstiger für Downsizing
Kleines „Hoch“ der großen Sauger

Die Zeit von Saugmotoren mit großem Hubraum ist vorbei? Mitnichten. Die Gesetzgebung hat dem klassischen Sauger mit dem Prüfzyklus WLTP und RDE zu einem kleinen Comeback verholfen. Wir erklären, warum.

Porsche 718 Cayman GT4, Exterieur
Foto: Rossen Gargolov

Der Neue Europäische Fahrzyklus, kurz NEFZ, wurde häufig kritisiert, weil er nur realitätsfremde Laborwerte maß. Die Kritik war berechtigt. Deshalb besserten die Gesetzgeber nach.

Um zu messen, wie viel Kraftstoff ein Auto verbraucht und ob es die Abgasgrenzwerte einhält, kam im September 2017 mit Einführung der Abgasnorm Euro 6c das Prüfverfahren WLTP zur Anwendung. Das ist die Abkürzung für "worldwide harmonized light vehicles test procedure". Inzwischen ergänzen es Verbrauchsmessungen im echten Fahrbetrieb – genannt RDE für "Real Driving Emissions", während derer auch die Emissionen in der Praxis ermittelt werden (Euro 6d Temp).

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So entstehen Verbrauchs- und Emissionswerte, die deutlich näher an der Wirklichkeit sind, als mit dem NEFZ, wo der Verbrauch beim Testverfahren schon mal ein paar Liter unter dem tatsächlichen Spritkonsum im Alltag gelegen hatte. Das bekam dann der Verbraucher an der Tankstelle zu spüren.

Ford Mustang GT Fastback, Rad
Rossen Gargolov
Ford hält dem Achtzylinder die Treue. Der neue Mustang wird teilelektrifiziert.

NEFZ pro kleine Turbos

Der NEFZ hatte kleine Turbomotoren begünstigt. Großvolumige Motoren ohne Aufladung waren hingegen besonders benachteiligt. Warum? Weil der NEFZ den Motoren auf dem Prüfstand vor allem niedrige Last abverlangte. Da spielen die kleinvolumigen Turbos, ob Drei- oder Vierzylinder mit wenig Hubraum, ihre Stärken aus.

Mit WLTP und RDE ist die Diskrepanz nicht mehr ganz so groß. Das neue Messverfahren lässt Saugmotoren mit viel Hubraum nicht mehr ganz so schlecht dastehen. Weil die Durchschnittsgeschwindigkeit während des WLTP gegenüber dem NEFZ gewachsen ist, mehr Anteile mit höheren Geschwindigkeiten enthalten sind und die Maximalgeschwindigkeit gestiegen ist. Das reißt die kleinen Turbos aus ihrer Komfortzone, die Sauger können zumindest in Teilen ihre Stärken ausspielen.

Es geht um die Dauer und die Dynamik des Testverfahrens. Der NEFZ dauerte rund 20 Minuten. Beim WLTP ist es eine halbe Stunde. Die Autos legen beim Prüfverfahren jetzt eine Distanz von 23,2 statt 11 Kilometer zurück. Die Durchschnittsgeschwindigkeit beträgt 46,5 statt knapp über 33 km/h. Der Stoppanteil sinkt von knapp 23 auf rund 13 Prozent. Und die Autos beschleunigen auf dem Prüfstand bis auf 131 km/h. Beim NEFZ waren es maximal 120 km/h.

Die Dynamik hilft den Saugern

Die Geschwindigkeit variiert mit dem WLTP also deutlich stärker. Die Unterschiede fallen größer aus. Etwa 40 Prozent des NEFZ wurden mit konstanter (niedriger) Geschwindigkeit gefahren. 21 Prozent betrug der Anteil an Beschleunigungsfahrten. Die Beschleunigung lag im Mittel bei 0,39 m/s² und maximal bei 1,04 m/s². Im WLTP sind es 0,50 m/s² und 1,58 m/s². Kurzum: Das neue Prüfverfahren ist dynamischer.

Im NEFZ gab es nur innerorts und außerhalb. Der WLTP kennt hingegen vier unterschiedliche Phasen: bis 60, bis 80, bis 100 und über 130 km/h. Sie dienen der Simulation von Stadt-, Überland- und Autobahnfahrten. In den Volllastbereich kommen auch mit dem WLTP nur wenige Motoren. Wenn überhaupt dann nur solche mit wenigen Zylindern, sehr wenig Hubraum und einem eher hohen Gewicht. Doch generell werden die Motoren stärker gefordert als im NEFZ, den man vor allem im niedrigen und mittleren Lastbereich fuhr.

TÜV-Experte Jiri Vejsada erklärt: "Kleinvolumige Turbos sind sehr sparsam, solange ich sie im Teillastbereich fahre. Sobald ich höher gehe, spielen die großvolumigen Motoren ihre Vorteile aus. Im WLTP ist die Last höher. Gleichzeitig haben wir stärkere Beschleunigungen. In höheren Lastbereichen steigt der Verbrauch und damit die CO2-Emissionen bei kleinvolumigen, aufgeladenen Motoren exponentiell an. Bei den Saugern ist dieser Anstieg nicht ganz so stark."

Es gibt ein altes Sprichwort, das hier zutrifft: "Turbo läuft, Turbo säuft". Bei höheren Drehzahlen, bei höherer Last spritzen sie mehr Kraftstoff auch zur Kühlung ein. Das Gemisch wird angefettet. Das bedeutet, mehr Benzin im Verhältnis zur Luft. Ihr Vorteil beim Wirkungsgrad gegenüber den Saugern schrumpft.

Porsche Cayman 718 GTS 4.0, Exterieur
Rossen Gargolov
Porsche Cayman 718 GTS 4.0: sechs Zylinder, vier Liter Hubraum, keine Aufladung, 400 PS.

Unterschiedliche Schaltpunkte

Es ist jetzt nicht so, dass der Markt auf einmal mit großvolumigen Saugern, mit V8-, V10- oder V12-Motoren geflutet wird. Aber zumindest werden die Großvolumigen mit dem WLTP bessergestellt. Deshalb kann es sich Porsche auch leisten, die 718-Baureihe mit einer weiteren Version des Vierliter-Sechszylinders – genannt GTS 4.0 – aufzusplitten (neben Cayman GT4 und 718 Spyder).

Die Schaltzeitpunkte werden mit dem WLTP für jedes einzelne Fahrzeug definiert. Es gibt nicht mehr nur eine Schaltstrategie wie beim NEFZ, die für Turbos und Sauger gleichermaßen gilt. Da wurde bei den Saugern abhängig von der Geschwindigkeit und unabhängig von der Drehzahl der nächste Gang eingelegt. So wie es das Protokoll eben festlegte.

Vejsada erklärt, was sich geändert hat: "Es fließen Größen wie Leistung, Leerlaufdrehzahl, Nenndrehzahl, Fahrzeuggewicht, Fahrwiderstand in die Berechnung der Schaltpunkte ein." Die Verbrauchsmessung richtet sich jetzt mehr nach der Bauart der Motoren, nach ihrem Drehmoment. Und geht mehr darauf ein, wie sie geschaltet werden wollen. Großvolumige Motoren können – salopp gesagt – auch schaltfaul gefahren werden.

Trend zu Rightsizing

Die Fahrversuche im Alltag, die Überprüfung der gewonnenen Werte aus dem WLTP, greifen den großen Saugern mitunter unter die Arme. Die RDE-Fahrt wird vom Prüfstandslauf abgeleitet – mit gewissen Toleranzen. "Wenn wir zu aggressiv fahren, fallen wir mit dem CO2-Ausstoß und damit mit dem Verbrauch oben heraus. Wenn wir zu zurückhaltend fahren, fallen wir unten aus dem Fenster", berichtet Vejsada. Eine Software bewertet jede Fahrt.

Bei der Verbrauchs- und Emissionsmessung im Realbetrieb wird zu etwa einem Drittel in der Stadt, Überland und auf der Autobahn gefahren. Die Fahrt dauert zwischen 90 und 120 Minuten. Im RDE kann es schon mal vorkommen, dass Motoren in den Vollastbereich kommen – gerade die kleinvolumigen. Zum Beispiel an Steigungen. Gift für die kleinen Turbos, Heimspiel für die Sauger.

Um es zusammenzufassen: Extremes Downsizing bringt in der Praxis keine Verbrauchsvorteile und beim aktuellen Prüfverfahren nicht mehr so große wie früher. Die hubraumstärkere Saugmotoren leiden im Verhältnis nicht mehr ganz so stark. Während der NEFZ zum Beispiel zweistellige Literangaben für V8-Sauger auf 100 Kilometern ausspuckte, zeigte die Wirklichkeit ein anders Bild. Etwa, dass man auch einen Ford Mustang mit gezügeltem Gasfuß im einstelligen Literbereich bewegen kann. Mit WLTP und RDE ist man näher am tatsächlichen Verbrauch. Ingenieure leiten daraus einen Trend des "Rightsizings" ab.

Im Moment verhelfen also WLTP und RDE den Saugern zu einem kleinen Zwischenhoch. In Zukunft könnte eine Teilelektrifizierung dazu beitragen, dass sie überleben. Puristen hoffen es. Allein schon der Akkustik wegen. Und zum Wohl der direkten Kommunikation. Kein Turbo spricht aufs Gaspedal so unmittelbar an wie ein Sauger.

In unserer Fotoshow zeigen wir Ihnen den Porsche 718 Cayman GT4 mit Sechszylinder-Saugmotor und 420 PS.

Fazit

Der NEFZ spielte praktisch nur den Turbomotoren in die Karten. Immer extremeres Downsizing wurde Trend. Bei WLTP und RDE verhält es sich anders. Die Saugmotoren mit viel Hubraum werden im Vergleich zu früher besser gestellt. Trotzdem: Turbos haben generell einen Verbrauchsvorteil gegenüber großen Saugern. Daran ändert auch das neue Prüfverfahren nichts. Im Alltag werden die Turbos nämlich eher selten an ihre Grenzen gebracht. Und nur dann schlucken sie überproportional.