Handy am Steuer
Verbot gilt auch für Taschenrechner

Telefonieren mit dem Handy am Ohr während der Fahrt ist verboten. Aber auch die Nutzung von Tablets, Touchscreens und Taschenrechnern ist untersagt.

Handy am Steuer Telefon
Foto: TÜV Nord

Am Steuer ist das Handy bekanntlich tabu. Wer beim Auto- oder Motorradfahren dennoch telefoniert, riskiert seit der Gesetzesreform 2017 100 Euro Bußgeld und einen Punkt in Flensburg. Bei einer Gefährdung oder gar einer Sachbeschädigung steigt das Bußgeld auf 150 respektive 200 Euro. Zusätzlich gibt es zwei Punkte in Flensburg sowie einen Monat Fahrverbot. Fahrradfahrer, die während der Fahrt telefonieren, zahlen 55 Euro.

Das Telefonverbot am Steuer gilt aber nicht nur für das Telefonieren mit dem Handy am Ohr. Sämtliche andere Funktionen von Mobil- oder Autotelefonen darf man als Fahrer nicht verwenden. Also beispielsweise keine Textnachrichten schreiben oder lesen, Anrufe ablehnen oder einfach nur auf dem Display nach der Uhrzeit schauen. Gleiches gilt für alle elektronischen Geräte, die der Kommunikation, Information oder Organisation dienen. Damit sind in erster Linie Tablets, E-Books, Navigationsgeräte, Diktiergeräte oder iPods gemeint. Auch ein fest eingebauter Touchscreen fällt unter das Handyverbot.

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Auch die Touchscreen-Bedienung während der Fahrt ist verboten.

Smartphone, Tablet & Co. dürfen Sie nur während der Fahrt benutzen, wenn Sie sie nicht in der Hand halten, sondern diese sich in einer Halterung befinden. Aber auch dann ist Vorsicht geboten: Sie dürfen nur kurz auf das Gerät hin- und vom Verkehrsgeschehen wegsehen und auch nur, soweit es die Straßen-, Verkehrs-, Sicht- und Wetterverhältnisse erlauben.

Wenn Ihr Kraftfahrzeug steht und Sie den Motor vollständig ausgeschaltet haben, dann dürfen Sie aber Mobiltelefone und Co. in die Hand nehmen und benutzen.

Aber auch ganz normale Taschenrechner sind tabu, stellt der Bundesgerichtshof in einer aktuellen Entscheidung (Az. 4 StR 526/19) klar. Im verhandelten Fall ging es um einen Immobilienmakler, der 2018 mit dem Taschenrechner in der Hand am Steuer erwischt worden war. Er wollte die Provision für einen bevorstehenden Kundentermin berechnen.

Sobald man das Handy anfasst, ist es vorbei

Das Oberlandesgericht (OLG) Hamm entschied, dass das Ablesen der Uhrzeit vom Display ebenso ordnungswidrig sei wie das Lesen einer SMS oder einer Telefonnummer im Display (Az.: 2 Ss OWi 177/05; 2 Ss OWi 1005/02; 2 Ss OWi 402/06). Entsprechend urteilte das OLG Jena bezüglich der Nutzung des Handys als Diktiergerät (Az.: 1 Ss OWi 82/06). "Sowie sie das Handy anfassen, ist es vorbei", sagt Jörg Elsner, Vorsitzender der Arbeitsgemeinschaft Verkehrsrecht im Deutschen Anwaltverein in Berlin.
 
Im Gesetz heißt es "in der Hand halten". Doch das bloße Umlagern des Gerätes vom Ablagefach in die Mittelkonsole bleibt straffrei, entschied das OLG Köln (Az.: 83 Ss OWi 19/05). Und wenn das Handy beim Fahren in den Fußraum fällt, darf man es laut OLG Bamberg wieder aufheben, ohne einen Punkt zu riskieren (Az.: 3 Ss OWi 452/07). Doch sämtliche Bedienfunktionen sind vom Verbot umfasst. Das gilt laut OLG Köln selbst für das integrierte Navi (Az.: 81 Ss-OWi 49/08). "Anders nur, wenn das Handy in einer Halterung steckt und nicht berührt zu werden braucht", erläutert Maximilian Maurer vom ADAC in München.

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Patrick Lang
Das Mobiltelefon muss im Halter sitzen.


 
Irrelevant ist, ob es sich um ein klassisches Handy, einen Palm-Organizer oder ein Autotelefon handelt. Wenn das Gerät die Funktion hat, dass man telefonieren kann, ist der Wortlaut des Gesetzes erfüllt. Die wohl einzige Ausnahme bildet das Schnurlostelefon der Festnetzanlage. Da dieses eben kein "Mobiltelefon" ist, umfasst das Handyverbot es laut OLG Köln nicht (Az.: 82 Ss OWi 93/09).
 
Laut OLG Bamberg darf auch der Fahrlehrer nicht telefonieren. Obwohl er auf dem Beifahrersitz sitzt, sei er doch der Fahrzeugführer (Az.: 2 Ss Owi 127/2009). Ansonsten gilt laut Elsner: Sobald der Motor läuft, "Finger weg vom Handy". Denn auch, wenn das Auto steht, etwa an einer roten Ampel, riskiert man ein Bußgeld. Wer zum Telefonieren auf dem Seitenstreifen hält, verdient nach Ansicht des OLG Düsseldorf sogar ein höheres Bußgeld als bloß 40 Euro (Az.: IV-2 Ss OWi 84/04) – im Urteil heißt es zur Begründung: "Der Seitenstreifen ist nur für den Fall einer Panne gedacht."

Kaum Ausnahmen erlaubt

Im grünen Bereich ist dagegen, wer an einer roten Ampel flugs den Motor ausstellt, telefoniert und das Gespräch beendet, bevor er den Wagen wieder startet (Az.: 2 Ss OWi 190/07). So entschied das OLG Hamm. Straffrei bleibt dem Gericht zufolge theoretisch auch, wer das Handy nur nutzt, um mit dem Akku sein entzündetes Ohr zu wärmen. Allerdings glaubte das Gericht diese Ausrede nicht, der Ertappte musste zahlen (Az.: 2 Ss OWi 606/07). Genauso erging es einem Mann, der vor dem OLG Karlsruhe angab, er habe sich bloß mit seinem Akkurasierer die Barthaare gestutzt (Az.: 2 Ss OWi 528/06).
 
Im Zweifelsfall glaube der Richter immer der Polizei, sagt Elsner. "Ein Einspruch gegen den Bußgeldbescheid lohnt nicht." Ganz ausweglos ist er aber nicht. So hob das OLG Karlsruhe die Geldbuße gegen eine Frau auf, da die Angaben des Polizisten "zu vage" gewesen seien (Az.: 1 Ss 135/08). Einen Einspruch sollte Experten zufolge aber nur riskieren, wer eine Rechtsschutzversicherung hat.

Wiederholungstätern droht der Idiotentest

"Bei wiederholten Verstößen kann es sogar passieren, dass die Fahrtauglichkeit infrage gestellt wird und man zum Idiotentest muss", warnen Fachleute. So urteilte auch das OLG Jena (Az.: 1 Ss 54/06). Kommt es zu einem Unfall, kann es richtig teurer werden. "Die Nutzung des Handys kann als grobe Fahrlässigkeit gedeutet werden", erklärt Elsner. Laut Maurer könnten dann Schäden nicht erstattet werden. Das Landgericht (LG) Kiel entschied auf 20 Prozent Mitverschulden bei einem unverschuldeten Unfall (Az.: 7 S 100/04).

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Fazit

Ablenkungen am Steuer gehören zu den häufigsten Unfallursachen. Dennoch wird das Telefon-Verbot am Steuer von vielen ignoriert, obwohl die Strafen mittlerweile üppig sind. Die Gerichte stellen allerdings immer wieder klar, dass nicht nur die Telefonnutzung verboten ist.

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