Die Taiwan-Krise und die Autoindustrie
China - „Klumpenrisiko“ für deutsche Hersteller

China war für die deutsche Autoindustrie bislang ein Eldorado. Mit der jüngsten Eskalation der Taiwan-Krise treten Risiken mit Macht zutage. Was tun?

China - „Klumpenrisiko“ für deutsche Hersteller
Foto: Luca Leicht

Dass Politik und Wirtschaft nicht zu trennen sind, wissen wir schon lange. Generationen deutscher Kanzler pilgerten in Länder mit wachsenden Märkten, Wirtschaftsdelegationen im Schlepptau und die Mahnungen von wegen Menschenrechten meist nur in Watte gepackt, gut versteckt unterm Gewand. Wandel durch Handel war das Motto. Bei Russland wie bei China.

Gewandelt aber hat sich vor allem das Kräfteverhältnis, das Gleichgewicht der gegenseitigen Abhängigkeit einer global verflochtenen Wirtschaft hat sich verschoben. Bei Russland wie bei China. Die deutsche Abhängigkeit von russischem Gas versuchen wir gerade verzweifelt zu reduzieren. Dafür gibt es mit erneuerbaren Energien zumindest eine Perspektive, die wegen des Klimawandels ohnehin auf der Agenda steht.

Die Highlights der China-Messe

Große Umsätze in China, Akkus aus China

Aber während die Autoindustrie den Ausstieg aus dem russischen Markt mangels Volumen gut verkraften kann, sieht das bei China ganz anders aus: Das Wachstum der letzten Jahre kommt vor allem von dort. Bis zu 40 Prozent ihres Umsatzes machen die deutschen Hersteller in China. Ende 2021 sagte der damalige Mini-Chef Bernd Körber zu auto motor und sport: "Wenn ich China ausblende, ist das Wachstum von Mini super". Oder als Konsequenz: "Die primäre Motivation für das Joint Venture mit Great Wall war die Erschließung des chinesischen Marktes". Aktuell liege der China-Anteil bei "nur" etwa 10 Prozent, während Mutter BMW gut 30 Prozent erreiche. Im Lichte der jüngsten Ereignisse wirkt das gar nicht so erstrebenswert (In der Bildergalerie sehen Sie die Highlights der Auto-Messe in Shanghai; sie zeigt auch, wie sehr deutsche Hersteller sich nach dem Markt in China richten).

Dass China zudem auf dem Weg zur Technologieführerschaft in der Autoindustrie ist, davon war hier bereits die Rede – weil nicht mehr Verbrennungsmotoren und Fahrwerkstechnik Schlüssel zu überlegenen Autos sind, sondern Batterien, Elektronik und Software. Selbst die besten deutschen Elektroautos, wie etwa der Mercedes EQS, tragen chinesische Akkus, etwa vom weltgrößten Batteriehersteller CATL – wenn China will schließlich hat sich das Land längst auch die überwiegenden weltweiten Ressourcen der entsprechenden Rohstoffe gesichert.

Chips aus Taiwan – unter Chinas Kontrolle

Was auch in Autos – mehr und mehr – steckt, sind Halbleiter, Chips. Sie steuern alles. Der Anteil taiwanesischer Chiphersteller an der weltweiten Produktion liegt laut Handelsblatt bei mehr als 77 Prozent. Sie erreichen deutsche Autos nur, wenn China es erlaubt, das haben die jüngsten Militärmanöver deutlich gemacht.

Absatzmarkt kritischer Größe, Akkuhersteller, Technologieführerschaft, Blockade-Potenzial für Halbleiter – alles zusammen macht China zum "Klumpenrisiko" für die Autoindustrie. Als Klumpenrisiko bezeichnen Finanzexperten die Häufung von Ausfallrisiken durch die zu starke Gewichtung einer Branche oder Währung beispielsweise.

Wirtschaftliche Abhängigkeit kostet politischen Spielraum

Die Frage, wie groß der politische Spielraum bei solchen Voraussetzungen bleibt, ist leicht zu beantworten. Herbert Diess, Noch-VW-Chef, sagte: "Die Zukunft von Volkswagen entscheidet sich in China". Auch wenn das dortige Regime dem Hersteller ein Werk in der Region Xinjiang mehr oder weniger aufzwingt, wo die Autokratie Hunderttausende Uiguren in Straf- und Umerziehungslagern interniert hat und mit Vorwürfen konfrontiert ist, die unterdrückte Volksgruppe zur Zwangsarbeit heranzuziehen. Auch im VW-Werk? Was soll das Unternehmen dazu sagen?

Oder wie würde China reagieren, wenn hochrangige deutsche Politiker es Nancy Pelosi gleichtäten? Zum Boykott deutscher Autos auf dem chinesischen Markt auszurufen, wäre für das Regime ein Leichtes und so wie man dort die nationalistische Stimmung angefeuert hat, würde er weithin Gehör finden.

Chinas Autobauer mit deutschem Know-How

Ist das der Preis für jahrelang gute Geschäfte? Voraussetzung dafür waren jedenfalls Joint-Ventures mit chinesischen Unternehmen. Mit FAW in Nordchina, mit SAIC in Südchina. SAIC kooperiert auch mit anderen westlichen Herstellern wie GM – und hat eigene Marken. Wie etwa MG, einst britischer Traditionshersteller. MG-Modelle können deutsche Kunden seit 2021 auch hierzulande kaufen. In der Deutschlandzentrale in München ist man stolz darauf, dass viele Mitarbeiter Deutsch sprechen und VW gut kennen – weil sie von dem deutschen Unternehmen gelernt haben, wie man Autos baut. Autos, die es jetzt zu günstigen Preisen im Heimatmarkt von Volkswagen zu kaufen gibt, viele mit E-Antrieb, alle mit sieben Jahren Garantie. 2022 will MG 10.000 Stück in Deutschland verkaufen. Die Chancen stehen gut.

Ist erst damit die Politik beim Kunden angekommen? Oder schon vorher?

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Ja, die Technik ist genauso gut wie bei Handys aus China und als Konsument kann ich mir politische Entscheidungen nicht leisten.Sicher nicht. Ich möchte Staaten wie China wirtschaftlich nicht unterstützen und versuche Produkte aus solchen Ländern zu meiden.

Fazit

Dieser Text war Teil des Moove-Letters vom 8. August 2022 (diesen wöchentlichen Newsletter der Chefredaktion können Sie hier abonnieren), der zahlreiche Zuschriften auslöste. Häufigster Tenor: Handel ist gut, Abhängigkeit genauso schlecht wie die Pfennigfuchserei bei Komponenten zur Herstellung – die Verlagerung von Produktionsketten in "Billiglohnländer" erweise sich jetzt als kurzsichtig. Kritik gibt es für die Autoindustrie auch, weil sie sich seit Jahren gegen jede Regel von Lieferanten(-ländern) zu mehr als 20 Prozent abhängig mache. So sei der Erfolg koreanischer Marken nicht nur auf die Preiswürdigkeit und Qualität ihrer Produkte zurückzuführen, sondern auch auf ihre Unempfindlichkeit gegenüber internationalen Verwerfungen, weil ihre Fertigungstiefe im Land um vieles höher ist als bei den Europäern.

Auch das Thema jahrelanger "Technologietransfer" in das nicht-demokratische Land China sehen viele kritisch. Man sei dabei ähnlich blauäugig vorgegangen wie bei den Gaslieferungen aus Russland. Tatsächlich ist die Antwort auf die Frage, ob der Kauf eines (E-)Autos aus China derzeit vertretbar ist, in den meisten Zuschriften "nein"; und zwar aus politisch-moralischen Gründen (nicht aus technischen). Es tauchte aber auch die Befürchtung auf, dass man sich das vielleicht nicht mehr lange leisten könne.