Alfa Romeo Giulia QV gegen Audi RS 5 Sportback
Charakter-Limousinen im Duell

Das kommt dabei heraus, wenn zwei Traditionsmarken ihren Fähigkeiten freien Lauf lassen. Und in zwei Mittelklasse-Limousinen nicht nur Leistung und Handling hineinpacken, sondern auch Charakter. Sehr unterschiedlichen, wie wir gleich herausfinden.

Alfa Romeo Giulia QV, Audi RS 5 Sportback, Exterieur
Foto: Hans-Dieter Seufert

Vor Kurzem kam Freundin mit einer Frage ums Eck. Ihr Mann, nennen wir ihn Reiner, interessiere sich für eine Alfa Giulia. Ob die was tauge. Yeah! Auf solche Fragen lauern wir Profi-Influencer doch 24/7. Und: Im Gegensatz zu anderen Meinungsbildnern haben wir jahrzehntelange Erfahrung – und unsere professionelle Testabteilung.

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Unsere Highlights

Auch in diesem Fall. Konkret: mit einem Vergleichstest zwischen Alfa Romeo Giulia QV und Audi RS 5 Sportback. Der Alfa setzt statt der von uns als ziemlich liederlich abgestraften Handschaltung nun auf eine Achtgangautomatik von ZF. Grund genug, die 510-PS-Limousine auf den 450 PS starken Sportback loszulassen.

Loslassen kommt später, erst mal rollen wir aus der Stadt, die Messergebnisse im Gepäck. Während man so lenkt und denkt, ist Zeit zum Wundern. Etwa über die happigen 118.885 Euro, die Audi für den Testwagen aufruft. Dabei ist das Nardograu sogar gratis, besser: aufpreisfrei. Ebenso wie der 2,9-Liter-V6 und das großzügige Platzangebot samt großer Heckklappe. Kommentar eines Kollegen: Da kannste drin pennen. Stimmt, wobei RS-5-Fahrer vermutlich lieber die rautengesteppten Ledersitze beim 3,7-Sekunden-Sprint auf 100 spüren als den Nadelfilzteppich bei einer Übernachtung.

Alfa Romeo Giulia QV, Audi RS 5 Sportback, Motorraum
Hans-Dieter Seufert
V6-Biturbo mit 600 Netwonmeter haben beide, eine leichte Carbon-Haube nur der Alfa Romeo.

Unter der Alfa-Heckklappe wird nicht gepennt, dafür könnten mafiös verladene Gäste unerkannt zu ihren Betonschuhen reisen – irgendein abgeschmacktes Italo-Klischee gehört in jeden Alfa-Romeo-Test. Durchlade ist Serie, Klapplehnen gehen extra, 480 Liter Volumen bieten beide.

Alfa Romeo Giulia QV: sportiv und analog

Das war es dann aber auch mit den Gemeinsamkeiten, schon wegen der Einrichtungsstile. Auf Hochwertigkeit fokussiert im Audi, siehe Klimaregler mit integrierten Anzeigen, einem akkurat eingepassten Dachhimmel und feinmechanisch klickenden Tasten. Obwohl Audi aktuell durch schweres Wetter geht: Verarbeitung können sie.

Wobei der Alfa Romeo Giulia QV mit seinem eigenen Stil kontert: reduzierter, pragmatischer, aber ebenfalls mit Carbon und Leder aufgebrezelt. Also Reiner, wenn Du klassische Rundinstrumente magst, nicht vor einer mäßigen Navi-Grafik zurückschreckst und keine zig Menüebenen brauchst: Das mit der Giulia könnte was werden.

Alfa Romeo Giulia QV, Interieur
Hans-Dieter Seufert
Reduziert, pragmatisch, aber ebenfalls mit Carbon und Leder aufgebrezelt ist das Interieur des Alfa Romeo.

Dabei kommt das richtige Fahren erst noch – und bestätigt den vom Kollegen Dralle in einem früheren Test geprägten Begriff vom „No-Bullshit-Auto“. Drei Fahrprogramme plus Race, kein Individual-Modus, Höchstgeschwindigkeit 307 km/h nur ohne ESP im Race-Programm möglich. Das passt zu Hinterradantrieb, Cuore Sportivo, einer Motorhaube aus Carbon und dem um exakt 261 Kilogramm niedrigeren Gewicht des Alfa Romeo Giulia QV.

Kurzer Kopfkino-Trailer: DTM Mitte der 90er, Larini und Co mit ihren schreienden V6-155ern. Nur echt mit den vier Endrohren samt angerußten Schonern. Kino aus, der aktuelle V6 schreit nicht, rußt nicht. Im Gegenteil: Obwohl ein kupierter Ferrari-488-V8, kopiert er lieber den Sound eines Ford-Ecoboost-Dreizylinders, schüttelt sich beim Start-Stoppen und niedrigtourigem Gerolle, als ob seine Kolben nasses Fell hätten. Dabei ist die Zylinderabschaltung tatsächlich nur im Öko-Modus aktiv.

Der Zweineuner im Audi wiederum gefällt sich mit zart kribbelnden Vibrationen und akustischer Dezenz, die erst in Dynamik ins Aufdringliche abdriftet.Abdriften? Nicht mit dem Quattro. Allradantrieb, Mitten- und Sportdifferenzial samt Torque Vectoring und breite 20-Zöller stehen dem entgegen. Der Audi RS 5 Sportback erkämpft keine Kurven, sondern vollstreckt gleich den Streckenverlauf. Notfalls mit einer Hand am Lenkrad bretterst du mit dem fast zwei Tonnen schweren Brummer über die Piste.

Audi RS 5 Sportback, Exterieur
Hans-Dieter Seufert
Eigentlich ist die Federung nicht unkomfortabel, aber man fühlt sich auf unebenen Oberflächen und/oder beim Schnellfahren bisweilen wie auf einem zu straffen Gummiball.

Die Lenkung erzählt eher diplomatisch von dem, was so an der Vorderachse passiert. Sie passt sich nicht nur per Servounterstützung an die Situation an, sondern variiert mittels Überlagerungsgetriebe auch den benötigten Winkel. Das klappt zwar grundsätzlich homogen, doch der Audi RS 5 Sportback kommt einem nie so richtig nahe, obwohl soundmäßig aufgepeppt und dämpferseitig beim Schnellfahren vorgespannt (im Individual-Modus ist die Chose nach Gusto konfigurierbar). Und die Federung: Eigentlich ist sie nicht unkomfortabel, aber man fühlt sich auf unebenen Oberflächen und/oder beim Schnellfahren bisweilen wie auf einem zu straffen Gummiball. Wenig homogen, wenig animierend.

Die Lenkung im Zentrum

Animierend? Greif den Alfa-Kranz! So wie manche den Motor ins Zentrum des Geschehens stellen, ist es bei der Top-Giulia die Lenkung. Sicher verwenden auch andere das Bosch-Teil, doch keiner appliziert es so mutig. Du denkst, und die Giulia lenkt. In Echtzeit. Wenn Konkurrenten noch den Lenkungsgraben hochkraxeln, ist der Alfa schon in der Kurve.

Untersteuern? Da regt ihn schon die Frage auf. Paritätische Gewichtsverteilung, straffes Fahrwerk, reichlich Ackermann-Winkel an der Vorderachse, gripstarke Pirelli P Zero Corsa, Keramikbremsen, Fünflenker-Alu-Aufhängungen. An wem es jetzt genau liegt – schwer zu sagen. Es ist das Team, zu dem sich auch noch ein Sperrdifferenzial samt zweier Kupplungen mit Momentenverteilung an die Hinterräder gesellt.

Also einlenken. Yippieh! Rausbeschleunigen – äh. Hm. Es dauert. Wenn sie könnten, würden die Assistenzsteuergeräte jetzt schwitzen, so wie sie den Alfa Romeo Giulia QV einbremsen. Klar ist das fahrsicher, da schwenkt nix aus, da verrutscht nix. Andererseits geht es auch nur in Zeitlupe vorwärts. Erst wenn die Lenkung wieder gerade steht, der süße Rauch der Dynamik verzogen ist, fließt wieder standesgemäß Power via Carbon-Kardanwelle an die Hinterräder.

Alfa Romeo Giulia QV,Exterieur
Hans-Dieter Seufert
307 km/h rennt die Giulia im Race-Modus. Etwas für harte Typen, denn ESP ist in diesem Fall deaktiviert. Im Normal-Modus ist der Bremsassistent dafür im Alltag umso ängstlicher.

Lieber Reiner, wenn Du gern Strecken mit engen Kurven oder gar Kehren niederstreckst, wechsle am Modusrädchen von N wie Natural auf D wie Dynamik. Nun wird der Alfa Romeo Giulia QV strenger, straffer, rückt dir dichter auf die Pelle, lässt aber auch mehr Feuer zu. Beim Rausbeschleunigen steht er sich nicht mehr selbst im Weg, sondern auf dem Gas. Jetzt hat auch der Biturbo-V6 seine Espressi hinter der Binde, lebt die 510 PS und die 600 Newtonmeter komplett aus, pulsiert durch den mittleren und oberen Drehzahlbereich.

Dort, wohin ihn die Achtgangautomatik zielsicher schickt. Ja, ab und zu lässt der Alfa Romeo Giulia QV in engen Ecken sogar einen Traktionskontroll-Rülpser aus dem Auspuff. Nicht ganz DTM-Oldschool, aber immerhin. Passend zum Carbon-Saum der Motorhaube, auf den du die ganze Zeit guckst, wenn du dich nicht über die echten Zeiger auf den Instrumenten freust oder verzweifelt versuchst, beim kräftigen Bremsen deine Augäpfel in den Höhlen zu halten. Zwar schaltete der QV dabei prompt den Warnblinker an, herrisch verzögern kann er aber mit seiner elektronisch gesteuerten, per Keramik-Brembo materialisierten Bremsanlage. Zu viel Emotion?

Audi RS 5 Sportback: Da bleib ich kühl

Noch mal kurz in den RS 5. Sein Pilot konnte dem Alfa auf der Testrunde lässig folgen. Statt Heldensagen zu schreiben, vertrieb er sich die Zeit mit Rückenmassage (Serie) und der Erkundung sämtlicher Darstellungsoptionen des TFT-Cockpits. Der Sportback ist einfach eine tolle Limousine mit weniger Windgeräuschen und mehr Assistenz als der Alfa. Der wiederum kostet weniger, bietet jedoch etwas Unbezahlbares: Charakter. Für Fans der Marke und solche, die es vielleicht werden.

Also auch für Dich, lieber Reiner.

Fazit

1. Audi RS 5 Sportback
418 von 1000 Punkte

Der traditionell hochwertig gemachte, teure Audi bietet mehr Variabilität, mehr Assistenz, besseres Licht, guten Komfort und gelassene Schnellfahrkompetenz.

2. Alfa Romeo Giulia QV
414 von 1000 Punkte

Die Giulia lebt von ihrer Lenkung, das Handling des QV macht Freude, verlangt aber Einarbeitung. Er ist hochdynamisch, doch Bedienung und Motor gefallen auch im Alltag.

Technische Daten
Alfa Romeo Giulia 2.9 V6 QuadrifoglioAudi RS5 Sportback
Grundpreis91.500 €82.700 €
Außenmaße4639 x 1874 x 1433 mm4783 x 1866 x 1387 mm
Kofferraumvolumen480 l480 l
Hubraum / Motor2891 cm³ / 6-Zylinder2894 cm³ / 6-Zylinder
Leistung375 kW / 510 PS bei 6500 U/min331 kW / 450 PS bei 5700 U/min
Höchstgeschwindigkeit307 km/h250 km/h
0-100 km/h3,8 s3,7 s
Verbrauch9,0 l/100 km9,1 l/100 km
Testverbrauch11,5 l/100 km11,0 l/100 km
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AUTO MOTOR UND SPORT 11 / 2024
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Erscheinungsdatum 08.05.2024

148 Seiten