Neues Audi RS 5 Coupé (2017) im Test
Audis Antwort auf BMW M4 & Mercedes-AMG C 63

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Isoliert betrachtet hat Audi mit dem RS 5 ein hinreißendes Coupé gebaut. Muskulös, topmodern, schnell. Gäbe es da nicht dieses aufmüpfige Geschwisterchen ...

Audi RS 5 Coupé - Test - V6-Biturbo
Foto: Achim Hartmann

Mir ist durchaus bewusst, dass Sie uns lesen, um Antworten zu bekommen. Nichtsdestotrotz muss diese Geschichte mit einer Frage beginnen, mit einer sehr essenziellen Frage in diesem Fall. Und zwar mit folgender: Was erwartet man von einem RS 5? Für mich sind das im Grunde drei Dinge. Erstens muss ein RS 5 optisch Attacke machen. Schauen wir nach: Massive Lufteinlässe, Abgasanlage im Ofenrohrformat, „Quattro“-Schriftzug im Unterkiefer, aufgepumpte Radbacken, CFK-Makeup – ja, kann man so durchgehen lassen.

Was noch? Klar, Dampf muss er haben, ordentlich Dampf. Und den hat er, aber hallihallo! Die 450 PS machen zwar den Eindruck als hätte sich gegenüber dem Vorgänger nichts getan, hinter den kleinen Brötchen verbirgt der neue V6-Biturbo aber 600 Nm – stolze 170 mehr als der einstige Saug-V8. Und was predigen die Herren Motorenpäpste immer? Geeeenau: Leistung kauft man, was man fährt, ist Drehmoment. Insofern also alles fein.

Das RS 5-Problem heißt S5

Und damit wären wir dann bei Erwartung Numero drei – und dem Problem. Ich finde, ein RS-Modell sollte sich …Schmarrn, muss sich von seiner Vorstufe absetzen, muss bissiger sein, wilder, schroffer, athletischer, muss sie fahrdynamisch dominieren, und sei es nur als Legitimation für die eigene Existenz. Im konkreten Fall ist die besagte Vorstufe – der Audi S5 – eine ziemlich großartige. Das wissen wir seit ihrem Auftritt im Vergleichstest. 4,7 Sekunden auf 100, Bremswege im 33-Meter-Format, extrem fixe 68,8 km/h im Slalom und eine Rundenzeit von 1.14,1 Minuten, mit der sie AMG C 43 und BMW 440i XDrive damals sehr unsanft beibrachte, wer die Hosen anhat.

Perfekte Voraussetzungen also für eine RS-Ableitung – möchte man meinen. Doch der fruchtbare Boden ist eben nicht nur Segen, sondern auch Fluch. Zumal sich die Abgrenzung dadurch erschwert, dass im Baukastenzeitalter natürlich versucht werden muss, die Gleichteilquote so hoch wie möglich zu halten. Konzentrieren wir uns also besser auf die Unterschiede. Thema Motor: Der Hub des Sechszylinders wurde aufgrund der höheren Innenkräfte gegenüber dem S5-Organ um drei Millimeter verkürzt, wodurch sein Gesamtvolumen von rund drei auf 2,9 Liter schrumpft.

Der Grundmotor jedoch ist exakt derselbe. Alles, was da im Netz umhergeistert, von wegen Porsche-Entwicklung und haste nicht gesehen, ist jedenfalls totaler Käse. Abgrenzung entsteht vor allem durch die Aufladung. Und durch ihre Folgen, ganz klar. Zwei Lader statt einem im S5 ergeben Zuschläge in Höhe von 96 PS beziehungsweise 100 Nm und weitaus bessere Fahrleistungen.

0-100 km/h? 3,8 Sekunden für den neuen Audi RS 5

In 3,8 Sekunden explodiert der Audi RS 5 im Test auf 100 km/h, wobei er nicht nur seine eigene Werksangabe knackt, sondern auch neun Zehntel auf seinen kleinen Bruder herausholt, der im Verlauf bis 200 gar um über vier Sekunden zurückfällt. Das Seltsame an alldem: Selbst der deutlich feurigere, ab 5.000/min geradezu frenetische Biturbo-Schub bekommt die engen Verwandtschaftsverhältnisse nie ganz rausgewaschen. Im Gegenteil. Das fleißige Hochdrehen, die Breite des Drehzahlspektrums, der sonor-knurrige Klang und die zweifelhafte Attitüde, Kraft lieber abzugeben als abzufeiern, unterscheiden sich im Grunde nicht die Bohne.

Das braucht man freilich nicht schlimm zu finden, bloß muss die Frage gestattet sein, ob einem das bisschen PS-Prestige, das Lastwechselgebumper der Sportabgasanlage und die gehaltvollere Darbietung desselben Themas diese 18.400 Euro (!) wert sind, die S und RS voneinander trennen. Zumal sich auch die Fahrgefühlswelt nicht großartig verändert hat – und das trotz spezifischer Lenkungsabstimmung, trotz Tieferlegung, trotz breiter Spur und trotz der wankstabilisierenden Wirkung des Dynamic-Ride-Control-Fahrwerks (DRC).

Wie das sein kann? Das learnen wir am besten beim doing, kommen Sie rein, nehmen Sie Platz. Und was ist das schick hier! HD-Displays, Wabensteppung, Tasten mit Mausklickgeräusch. Die Sitze? Vorzüglich. Im Kopfbereich vielleicht etwas zu kurz geraten, dafür schön tief montiert und ausgestattet mit dieser Massagefunktion, die wir als sport auto offiziell natürlich ganz furchtbar schrecklich finden, in Wahrheit aber – Nähkästchen auf – andauernd verwenden, Nähkästchen zu.

Eher cybersexy als realerotisch

Das Lenkrad ist mit Alcantara umnäht, die virtuelle Instrumenteneinheit eine Meisterleistung der Bedienergonomie, die Qualität bis in die letzte Ritze tipptopp – typisch Audi. Typisch Audi ist aber auch das zensierte Fahrgefühl. Man hat immer den Eindruck, die Kommandos in ein Steuerpult einzugeben, wo sie dann von der Elektronik übersetzt und zu Fahrzeugreaktionen umgerechnet werden. In absoluter Echtzeit zwar, aber derart distanziert, dass sich die Mensch-Maschine-Beziehung immer eher cybersexy als realerotisch anfühlt. Nur hält diese prüde Art ein Auto in aller Regel nicht davon ab, sein eigenes Ding durchzuziehen, also je nachdem entweder dynamisch oder komfortabel zu sein.

Audi RS 5 Coupé - Test - V6-Biturbo
Achim Hartmann
Der Audi RS 5 scheint selbst nicht zu wissen, was er will.

Problem: Der Audi RS 5 scheint selbst nicht zu wissen, was er will. Das merkt man an seiner Selbsternennung zum High-Performance-Gran-Turismo, was grob dasselbe ist wie eine vegane Weißwurst – also weder Fisch oder Fleisch noch das Gelbe vom Ei. Und man merkt es auch an seiner Abstimmung, die buchstäblich zwischen siebtem Himmel und Boden der Tatsachen hin- und herschaukelt. Die Härtegradspreizung der Adaptivdämpfer ist zwar weit, jedoch passen deren Zug- und Druckstufe nicht zueinander. Das ausschweifende Nachwogen von Bodenwellen im Comfort-Modus mag man – eine nautische Neigung vorausgesetzt – noch als angenehm empfinden, in „Dynamic“ hingegen gerät der ganze Kerl bisweilen derart ins Wippen, dass man sich an die Hoppelviecher auf Kinderspielplätzen zurückerinnert fühlt. Sie wissen schon: Diese Hartplastikgiraffen mit der großen Sprungfeder unten dran, auf denen man sich früher gern mal die Lippe blutig gebissen hat.

Hinzu kommt, dass sich das DRC Karosseriebewegungen nicht mehr so energisch entgegenstemmt wie einst. Das mag gewollt sein, da sich der Vorgänger teils bis zur Handlungsunfähigkeit in der Waagrechten verspreizte, führt nun aber dazu, dass der neue Audi RS 5 im Test in winkligen Passagen zu torkeln beginnt. Die Quittung dafür kriegt er im Slalom, wo er eine ebenso überschaubare Leistung abliefert wie auf der Bremse – den optionalen Keramikscheiben zum Trotz.

Audi RS 5 in Hockenheim

So liegen alle Hoffnungen auf der Rundenzeit, die diesmal auf dem Grand-Prix-Kurs des Hockenheimrings ermittelt werden musste. Na dann, lassen wir’s mal krachen: Power und Traktion sind im Überfluss vorhanden, Rausbeschleunigen ist somit kein Thema. Spitzkehre, Sachs, Südkurve, überall kann man ab Scheitelpunkt bedenkenlos drauftreten und den Drehmomenthebel wirken lassen. Umso komplizierter ist es, in Ecken hineinzukommen. Und da landen wir dann wieder beim S5, der ein wahrer Meister darin ist. Mit seiner laxeren Abstimmung und den zierlichen Reifen bewegt er sich wie auf Zehenspitzen, scheint in Kurven hineinzutanzen, während der RS 5 eher plattfüßig auf sie zustapft.

Audi RS 5 Coupé - Test - V6-Biturbo
Achim Hartmann
Die Beschleunigung passt. Die Performance auf der Rennstrecke eher weniger.

Der Einlenkimpuls als solcher wird zwar extrem zackig umgesetzt, viel zackiger als im S-Modell, was sich im Alltag unfassbar agil anfühlt. Am Limit jedoch fehlt der Vorderachse die nötige Seitenführung, um die Lenkwinkel im selben Maße umzusetzen. Folge: Der RS 5 drängelt über die Vorderachse, sodass man ihm immer erst mal Zeit geben muss, bis er sich setzt. Doch woher kommt diese latente Schwere? Stellen wir uns den Bewegungsapparat doch mal als Team vor. Da wären die Kinematik, der Antrieb, die Reifen et cetera – sie alle arbeiten zusammen und haben einen mehr oder minder großen Einfluss auf die Querdynamik. Nur ist der Star hier aber nicht die Mannschaft, sondern ein einzelnes Element davon – das Sportdifferenzial. Es ist in beiden A5 praktisch identisch und so was wie der Spielmacher der Handling-Choreografie.

Sein Job: eine Eindrehbewegung in Lenkrichtung herzustellen, also etwas, was mit der kopflastigen Anatomie der beiden per se eigentlich gar nicht geht. Um das zu bewerkstelligen, wird das Moment am kurvenäußeren Hinterrad erhöht, was sowohl unter Last als auch in Rollphasen funktioniert, aber – und das ist der springende Punkt – nicht überall gleich gut. Im S-Modell ist der Hüftdrall permanent präsent, beim RS 5 hingegen kann sich die belebende Wirkung nicht voll entfalten. Die Impulse sind da, das merkt man, wahrscheinlich sind sie aber nicht intensiv genug, um sein deutlich höheres Gripniveau zu überwinden – zumindest nicht im Schiebebetrieb. Erst wenn Drehmoment anliegt, offenbart sich die Wirkung des Systems, allerdings ist dann bereits entscheidende Zeit verronnen. Die gute Nachricht für den RS 5: Ein direkter Rundenabgleich bleibt ihm erspart. Die schlechte: Allein in den Bereichen, in denen sich der Kleine Kurs und die GP-Strecke überschneiden, nimmt ihm der S5 drei Zehntel ab. Und auch wenn das nichts daran ändert, dass der RS 5 im Alltag ein agiles und gewiss sehr reizvolles Coupé geworden ist, hätte ich persönlich doch mehr von ihm erwartet. Einiges mehr.

Fazit

Wäre das hier nicht sport auto, hätte sich der neue RS 5 sicherlich besser aus der Affäre gezogen. Warum? Weil er bis kurz vorm Limit ein faszinierendes Auto ist – nicht so bockhart wie sein Vorgänger, mit mächtig Zunder obenraus und einem Handling, das nicht nur extreme Agilität suggeriert, sondern auch mehr Querdynamik auffährt, als man im echten Leben brauchen wird. Nun sind wir aber sport auto und gehen an dieses Limit. Und dort knickt der Audi nun mal ein, sodass am Ende gleich zwei Grundbedingungen für ein wohlwollenderes Arbeitszeugnis fehlen – nämlich mehr Testpunkte einzuheimsen als erstens der Vorgänger und zweitens als das S-Modell.

Technische Daten
Audi RS5 Coupé
Grundpreis82.700 €
Außenmaße4723 x 1861 x 1360 mm
Kofferraumvolumen465 l
Hubraum / Motor2894 cm³ / 6-Zylinder
Leistung331 kW / 450 PS bei 5700 U/min
Höchstgeschwindigkeit250 km/h
0-100 km/h3,8 s
Verbrauch8,7 l/100 km
Die aktuelle Ausgabe
Sport Auto 03 / 2022
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Erscheinungsdatum 04.02.2022

132 Seiten